21.05.16 – Fachgeschäft des Monats Mai

„Ich versuche, die Nischen zu finden.“

„Der Laden – Spielzeug von 0 bis 99“ punktet nicht nur mit seinem Sortiment. Warum es das spielzeug-Fachgeschäft des Monats Mai wurde, erfahren Sie hier.

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In Erfurt bekannt wie ein bunter Hund: Das Schaf ist das Maskottchen des Ladens.

 
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Inhaberin Barbara-Kristina Saitz setzt auf eine Produktsortierung nach Altergruppen.

 

„Das Schaf!“ Eine Schar Kinder taucht vor dem Laden von Barbara Saitz auf und drängt sich um ein fast lebensgroßes, wolliges Spielzeug-Schaf. Jeder möchte es kurz anfassen und streicheln, bevor der Trupp weiterzieht. Die Inhaberin sieht das gern. Das Schaf gehört zu ihrem Laden ganz selbstverständlich dazu und ist über die Jahre zu einem Markenzeichen geworden. Vor Jahren wurde einmal ein Exemplar gestohlen und Barbara Saitz schrieb einen Brief an die Thüringer Allgemeine Zeitung. Diese veröffentlichte einen ganzen Artikel mit dem Aufruf, sich zu melden, sollte das Schaf gefunden werden. „Was ich da für eine Resonanz hatte!“, staunt die Händlerin. „Die Leute fragen heute noch, ob das Schaf wieder da ist.“ Leider war die Suche erfolglos, aber die 51-Jährige stellte sich ein neues Modell vor ihr Geschäft, denn das Tier ist auch ein attraktiver Türöffner im Eingangsbereich, der die Kundschaft anzieht. Das Sortiment ihres Ladens ist nach Altersgruppen und auf zweiter Ebene nach Themenwelten wie Puppen, Spiele oder Küche sortiert. „Der Nachteil ist natürlich, dass die Leute an einer Stelle stehen. Sonst haben sie auf dem Weg noch andere Sachen in Augenschein genommen, das ist nicht mehr unbedingt gegeben. Aber es hat sich in der Beratung bewährt,“ erklärt Barbara Saitz ihr Konzept. Sie ist keine Vollsortimenterin, sondern hält im Geschäft ein überlegt ausgewähltes Angebot an Spielzeug bereit, das Kinder jahrelang begleitet und sie in ihrer Entwicklung fördert. „Ich versuche wirklich, die Nischen zwischen den Großen zu finden. Ein Vollsortiment möchte ich nicht, da kann ich preislich nicht mithalten. Zu mir kommen die Leute, die sagen ‚Ich will das Andere’. Ich habe diese Sachen und erziele damit eine hohe Resonanz.“ 

Auf der Suche nach dem Besonderen

Viele Produkte aus Holz sind dabei, zum Beispiel von HABA, Selecta, Brio oder Coppenrath – alles selbst getestet. Verstärkt hinzugenommen hat sie Maileg, ein dänisches Unternehmen, dessen hübsche Produkte noch nicht so verbreitet sind. Auch Tierfiguren von Ostheimer sind im Laden derzeit sehr präsent, der Verkauf hat mächtig angezogen. Gern verkauft Barbara Saitz auch ein Stempelset, das gleichzeitig ein Puzzle ist und in einer Behindertenwerkstatt gefertigt wird. Einige Zeit lang hat sie zusätzlich Babyartikel ins Sortiment aufgenommen, was aber keinen Erfolg brachte. Über Neuheiten informiert sie sich auf der Nürnberger Spielwarenmesse und auf der Nordstil in Hamburg. Hier findet sie viele Produkte norddeutscher Hersteller, die in Erfurt keiner hat. „Was wirklich in der letzten Zeit stark zunimmt, ist die Nachfrage nach individuellen Sachen,“ stellt Barbara Saitz fest. Sie glaubt, dass durch die Globalisierung und die damit einhergehende Gleichmacherei die Menschen sich nach originellen und nachhaltigen Produkten sehnen. Personalisierte Bücher, Konfirmationsleuchter oder ein Abschiedsgeschenk für eine Lehrerin mit den Namen aller Kinder versehen – Barbara Saitz hat es. Für die Hochzeit einer Tierärztin, erzählt sie schwärmerisch, verkaufte sie Teller, die jeweils mit einem anderen Tier bemalt waren. Das ist ganz nach ihrem Geschmack. Doch nicht immer waren ihre besonderen Sachen gefragt. „Es war jahrelang schwierig, aber ich habe durchgehalten, und jetzt zeigt sich die Sehnsucht nach dem Außergewöhnlichen ganz besonders.“ 

Individuelle Kundenansprache

Ihr „Laden“ in der Neuwerkstraße nahe des Angers, dem zentralen Platz in Erfurt, besteht seit sechs Jahren. Vorher betrieb sie das 60 m² große Geschäft vier Jahre lang in der Kettenstraße nahe des Domplatzes, musste aber den Standort wechseln. Angefangen aber hat alles aber noch viel früher: Barbara Saitz ist eigentlich Töpfermeisterin, „die jüngste Töpfermeisterin der DDR“, wie sie stolz betont – mit eigener Werkstatt im Haus. „Dann kam die Wende, und ich habe überlegt, was ich tun soll. Ich habe gesehen, wie die Kollegen im Westen leben und dass es dort sehr, sehr schwer ist.“ Sie schaute sich noch vor der Währungsunion verschiedene Läden und Konzepte an. „Ich reiste dann mit meinen 4000 Mark Währungsumtausch nach Frankfurt zur Messe und habe als eine der ersten Ostkunden dort eingekauft.“ Sie eröffnete 1990 ihren ersten Spielzeugladen in der Magdeburger Allee, einer langen, verkehrsreichen Straße abseits vom Zentrum Erfurts, die als längste Einkaufsstraße Thüringens gilt und auch durch die Interessengemeinschaft Magdeburger Allee e. V. kulturell aufblüht. Warum eröffnete sie dann 2006 besagten Laden in der Neuwerkstraße? „Weil ich gemerkt habe, dass ich wieder in die Stadt muss. Sonst hätte es jemand anderes gemacht und das Feld wollte ich keinem überlassen.“ Im Laufe der Jahre hat nur noch ein inhabergeführtes Spielzeug-Geschäft überlebt, die Konkurrenz für den „Laden“ kommt eher von Ketten wie Spiele Max. „Das macht mir momentan auch sehr zu schaffen, weil sie einen Preiskrieg angefangen haben.“ Dem Preiskampf begegnet die zweifache Mutter mit einer besonders persönlichen Kundenansprache. An ihre Stammkunden verschickt sie Kundenbriefe mit kleinen Geschichten, Erinnerungen oder Gedanken und informiert über spezielle Angebote. Die Neujahrskarten sind mal mit Rezepttips, mal mit Bastelideen für Kinder versehen. Zudem bekommen ihre Stammkunden am Ende des Jahres 3 % ihres Umsatzes rückvergütet. Sowohl die saisonalen Geschenkanhänger als auch die Gutschein- und Neujahrskarten sind von Barbara Saitz selbst gestaltet. Ihre Kundschaft besteht zur Hälfte aus Stammkunden. „In der Regel sind es Leute, die bewusst kaufen und ihren Kindern bewusst Spielzeug geben. Nicht viel und nicht billig.“ Was ihr seit einiger Zeit zusätzliche Aufmerksamkeit verschafft, ist ein Stadtrundgang, der die Nachhaltigkeit der Geschäfte Erfurts thematisiert. Ihr „Laden“ ist dabei und des Öfteren legen Gruppen einen Stopp vor ihrem Schaufenster, das natürlich selbst gestaltet ist, ein. Auch im Netz ist sie vertreten mit einem Facebook-Auftritt und einem eigenen Online-Shop dela-online.de, der zwar viel Arbeit mache, aber unabdingbar sei, wie sie konstatiert. 

Mit allen Sinnen künstlerisch aktiv

Ihre Keramik aus der Töpferwerkstatt verkauft sie zusätzlich in beiden Geschäften. Und unter dem Label „Lila Ucla“ (Kleine Eule) bietet sie selbst genähte Stoffbücher und Taschen für Kinder an. Der Kunde merkt schnell: Barbara Saitz ist nicht nur Spielzeug-Händlerin, sondern auch künstlerisch sehr engagiert. Unterstützung bekommt sie von ihren beiden Mitarbeiterinnen, sie selbst ist abwechselnd in beiden Läden präsent. „An Weihnachten machen wir immer eine große Weihnachtsausstellung, wofür wir die Läden umdekorieren und mehr Deko-Artikel in das Sortiment nehmen,“ erzählt Barbara Saitz. Die Gestaltung und das Binden von Kränzen gehört ebenfalls zum Angebot. Jedes Jahr veranstaltet sie ein Sommerfest in der Magdeburger Allee, das Eltern und Kinder dazu einlädt, neue Spiele intensiv zu testen. Höhepunkte sind das Puppentheater mit einer studierten Puppenspielerin und das Anmalen von Keramik. Wie die Zukunft aussieht? Große Pläne hat Barbara Saitz nicht. Sie ist zufrieden, so wie es ist, genießt die alltäglichen Gespräche und das Lob der Kunden.  „Ich liebe meine Arbeit hier sehr.“