09.10.23 – Fachgeschäft des Monats

„Max Fritz“: Familiär und lebensfroh

Die Firma „Max Fritz“ besteht schon seit 175 Jahren. Sie hat u. a. zwei Weltkriege, Inflation, Währungsänderungen und den Börsencrash überlebt. Nicht zuletzt deshalb ist Inhaberin Susanne Maier zuversichtlich, auch die aktuellen Herausforderungen zu meisten. Dabei helfen ihr Team, ihre positive Einstellung und v. a. ihre Familie.

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Mit einem selbst gedichteten Jubiläumsreim von Susanne Maiers Bruder feierten u. a. Astrid Schatlowski, Klara Maier, Susanne Maier, Johanna Fischer und Bärbel Nägele (v.l.n.r.) das 175-jährige Firmenjubiläum. © Max Fritz

 
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Das Fachgeschäft „Max Fritz“ liegt in der Innenstadt von Tiengen, direkt an der Schweizer Grenze. © Max Fritz

 
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Mit Leidenschaft und jeder Menge Spaß bei der Arbeit öffnet Susanne Maier jeden Tag ihr 300 m² großes Geschäft in der Fußgängerzone von Tiengen an der Grenze zur Schweiz, in dem sie rund 40.000 Artikel von 150 Lieferanten anbietet. Im Erdgeschoss von „Max Fritz“ gibt es Schreibwaren, Bürobedarf, Zeitschriften, Bücher, Lotto, Geschenkartikel und Tabakwaren. Im ersten Obergeschoss finden Kunden eine Abteilung für Modelleisenbahnen und ein großes Sortiment an Spielwaren. Weitere Spielwaren und eine Schnäppchenecke findet man im zweiten Geschoss, das sich einmal im Jahr in eine „Fasnachtshöhle“ verwandelt, in der sich alles findet, was das Narren-Herz begehrt: Perücken, Zubehör, Kostüme, Hüte, Kontaktlinsen, Schminke und Deko. Verbunden ist alles über eine offene Treppe in der Mitte, die eine großartige Atmosphäre zaubert. „Trotzdem kann man sagen, dass wir ein Platzproblem haben. Deshalb können wir unsere Waren nicht ‚auf Sicht‘ präsentieren“, erklärt Susanne Maier, die aus diesem Grund besonders viel Wert auf gute Beratung legt. „Wir versuchen, fast alles möglich zu machen bzw. zu bestellen. Auch wenn wir damit vielleicht unterm Strich mal weniger verdienen, so stärkt das doch die Kundenbindung.“

Was sie alles möglich machen, zählt die Inhaberin gerne auf: „Wir haben z. B. Wunschkisten zu jedem Anlass und einen kostenlosen Einpackservice. Wer Interesse an limitierten Steiff-Tieren hat, kann bei uns dem Steiff-Club beitreten. Wem eher Modelleisenbahnen liegen, findet im Märklin Insider Club, was er sucht.“ Aber damit nicht genug: Für regionale Vereine bietet „Max Fritz“ darüber hinaus regelmäßig Kartenvorverkäufe für Veranstaltungen an – und das ehrenamtlich, also ohne dafür eine Gebühr zu verlangen. Seit rund eineinhalb Jahren veranstalten sie Spieleabende für die Eltern von Kindergartenkindern, es gibt eine Nikolaus-Stiefelaktion und eine große Tombola zum Kindertag Anfang Mai, bei der jedes Los einen Euro kostet, dafür aber auch garantiert gewinnt. „Es ist toll, in die strahlenden Gesichter der Kinder und die dankbaren Gesichter der Eltern zu schauen“, freut sich Susanne Maier.

Familienbetrieb sei 175 Jahren

Die Geschichte von „Max Fritz“ reicht weit zurück. Im April 1848 gründeten Buchbindermeister Karl Eiselin und seine Frau Emilie das Geschäft als Buchbinderei und Fachgeschäft für Devotionalien. Anfang der 1930er-Jahre übernahm der Schwiegersohn, ein Kaufmann, den Laden, vergrößerte durch den Erwerb des Nebengebäudes seine Fläche und benannte ihn nach sich: Max Fritz. In den folgenden Jahren wurde das Sortiment laufend erweitert und das Geschäft 1962 wiederum an die Tochter Lieselotte gegeben, bis schließlich 1978 die Eltern von Susanne Maier ins Spiel kamen und das Geschäft erst pachteten, später kauften und 1992 einem Totalumbau unterzogen. „Danach wurde es augenscheinlich erst einmal ruhig“, erinnert sich die heutige Eigentümerin. „Für Außenstehende gab es keine auffälligen Veränderungen mehr. Hinter den Kulissen sah dies aber ganz anders aus, denn der nackte Kampf ums Überleben begann, als 2002 schräg gegenüber eine Filiale der Drogeriemarktkette Müller eröffnete.“ Die Konkurrenz hätte „Max Fritz“ beinahe in die Knie gezwungen, schließlich boomte der Internethandel, die „Geiz ist geil“-Mentalität hielt Einzug und an ein Weihnachtsgeschäft wie eh und je war nicht mehr zu denken. Die Folge waren Sortimentsstraffungen, Sparen und Verzicht.

Susanne Maier entschied sich vielleicht auch deshalb erst einmal für eine Ausbildung bei der Sparkasse und arbeitete 17 Jahre lang in diesem Beruf. Allerdings gehörten die Feierabende und Samstage schon immer „Max Fritz“, auch weil die Familie über dem Geschäft wohnte und sie mehr oder weniger im Laden aufgewachsen ist. „Ich machte nie ein Geheimnis daraus, dass ich den Laden irgendwann übernehmen wollte. Und zum Glück war schon damals der Familienzusammenhalt so groß, dass wir diese schwierigen Jahre meistern konnten“, erzählt sie voller Stolz; nicht zuletzt auf ihre Mutter, die ihr dank ihres unermüdlichen Einsatzes 2021 ein schuldenfreies Geschäft übergeben konnte.

Ohne die Familie geht auch heute noch nichts im „Max Fritz“. „Wir beschäftigen zwei Vollzeitmitarbeiterinnen, eine Teilzeitkraft, einen Azubi, meine Mutter als ‚Rentnerin mit sinnvoller Freizeitbeschäftigung‘ und gaaaaaanz viel Familie: meinen Mann, meinen Bruder mit Familie und meine Kinder als Spielzeugtester. Irgendwie gibt es immer für jeden was zu tun.“ Z. B. bei der Dekoration der insgesamt ca. 12 m Schaufenster mithelfen. Jede Woche, so das Ziel, sollen 4 m neu gestaltet werden, damit die Kunden immer etwas Neues zum Anschauen haben und im Idealfall in den Laden gelockt werden.

Sehen, anfassen und ausprobieren

Dieses Engagement zeigt Susanne Maier auch, wenn es um Neuheiten geht. Um auf dem Laufenden zu bleiben, wälzt sie Fachzeitschriften, baut auf den Außendienst, nimmt Tipps von Kunden an und ist neuerdings auch in verschiedenen Gruppen im Internet aktiv. Dort werden Produkte vorgestellt, die sich gut verkaufen. Außerdem steht jedes Jahr der Besuch der Spielwarenmesse in Nürnberg auf dem Programm. „Ich kaufe zu 90 % das, was mir selbst gefällt“, erklärt sie. „Unser Sortiment muss zu uns passen und wir müssen Spaß damit haben. Das ist die halbe Miete für den weiteren Verkauf. Deshalb ist die Spielwarenmesse auch so wichtig für uns. Wir wollen die Artikel sehen, anfassen und ausprobieren. Die restlichen 10 % sind Dinge, die man haben muss, weil sie gerade im Trend sind.“

Was immer geht, sind saisonale Themen wie Schulanfang. „Wir konnten inzwischen einen ‚Schulservice’ etablieren. Hierzu gehört die Füllerberatung, v. a. für Schreiblernanfänger, eine Schulranzenberatung, Rabatte bei Abnahme von Klassensätzen sowie das Zusammenstellen von Schulsachen am Schulanfang bzw. zum neuen Schuljahr. Kunden können uns ihre Listen mailen und wir bereiten dann alles für die Abholung vor.“ Die Top-Lieferanten stammen aber alle aus dem Spielwaren-Bereich: Lego, Ravensburger, Toynamics, Märklin und Amigo. Das Verhältnis zu den Herstellern ist unterschiedlich. Es gibt Lieferanten, mit denen Susanne Maier gut zusammenarbeitet und solche, mit denen sie sich arrangieren muss. Dabei gehe es nicht um die Häufigkeit des Besuchs von Außendienstmitarbeitern, sondern z. B. um telefonische Erreichbarkeit, Mindestbestellwerte, Abnahmemengen, Reklamationsbearbeitung und Lieferzeiten. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir Kleinen dafür gut sind, eine Firma durch viel Beratung interessant zu machen. Sobald dann die ‚Großen’ an Bord sind, vergisst man uns und schaut, dass man uns loswerden kann, weil wir zu viel Arbeit machen. Aber es gibt auch immer wieder positive Erfahrungen und Überraschungen!“

Das Gute sehen

Überraschungen gibt es auch auf den Social Media-Kanälen von „Max Fritz“ oder im Blog auf der Website. Über die Videos, in denen die Belegschaft laut eigener Aussage viel Quatsch macht, wird die Freude spürbar, die sie bei der Arbeit haben. Und das kommt gut an. „Das Feedback ist immer gut“, freut sich die Geschäftsinhaberin. „Und so konnten wir auch während Corona unsere Kunden bei Laune halten.“ Wie viele andere haben auch Susanne Maier und ihr Team während der Pandemie einen Lieferservice ins Leben gerufen. Ab einem Einkaufswert von 20 Euro und bis 20 km Entfernung haben sie kostenlos geliefert. Zwei bis drei Autos waren dafür jeden Abend zwei bis drei Stunden lang unterwegs. Weil ein Online-Shop fehlte, die Kunden sich also keinen Überblick über das Angebot schaffen konnten, packten die Mitarbeiter liebevoll von Hand verzierte Wundertüten für 10, 15 oder 20 Euro und unter Berücksichtigung von Vorlieben, die noch heute zu Anlässen wie z. B. Ostern nachgefragt werden. „Natürlich war Corona insgesamt sehr schlecht für uns, aber das Glas ist immer halb voll! Ich habe das Gefühl, dass es uns und unsere Kunden zusammengeschweißt hat und wir heute noch immer davon profitieren. So gesehen hatte die Pandemie auch etwas Gutes.“

„Immer positiv denken“ – nach diesem Motto führt Susanne Maier ihr Geschäft. Und so verwundert auch ihre Antwort auf die Frage nach aktuellen Herausforderungen nicht: „Bei kleinen Geschäften wie uns geht es eindeutig ums Überleben. Wirtschaftlich sind wir jetzt wahrscheinlich in der Kurve der Talfahrt, wobei wir in der Spielwarenbranche noch Glück haben, denn für Kinder wird immer Geld ausgegeben. Außerdem hört man ja überall von Lieferengpässen, Inflation und Mitarbeitermangel. Aber ganz ehrlich, dazu fällt mir nur Folgendes ein: Den Wind können wir nicht ändern, aber die Segel anders setzen. Und wenn es mal keinen Wind gibt, dann holen wir die Ruder raus und steuern das Boot damit wieder in den Wind. Das Entscheidende ist, dass wir unser persönliches Glück darin finden, was wir tun – und das habe ich.“