17.02.14
Die Visitenkarte eines Händlers
Die erste visuelle Kommunikation mit dem Kunden erfolgt im Handel durch das Schaufenster. Vor allem im Zuge der stärker werdenden Filialisierung und des zunehmenden Online-Handels spielt die Wareninszenierung dort eine wichtige Rolle. Unsere Handelsserie widmet sich deshalb der Schaufenstergestaltung, die als Marketinginstrument immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Gerade in der emotionalen Kundenansprache liegt eine Chance für den stationären Handel, um sich von der Konkurrenz abzuheben und Umsätze zu generieren. Da der direkte Zusammenhang von Schaufenster und Instore-Umsatz aufgrund unterschiedlicher Faktoren, die einen Kauf beeinflussen, jedoch schwierig nachzuvollziehen ist, versuchten Unternehmen früher Geld zu sparen. Wie der Management Report «Erfolgsfaktor Schaufenster – Studie zur Bedeutung der Schaufenstergestaltung im Handel» des EHI Retail Institutes zeigt, wird das Schaufenster heute allerdings als wichtiges Element zur Differenzierung im Wettbewerb wahrgenommen. Im Auftrag der Messe Frankfurt hat das Kölner Institut für den Report bestehende Interviewreihen bzw. Studien des EHI zu Ladenbau und Visual Merchandising um Experteninterviews mit Vertretern aus dem Bereich «Living &Giving» ergänzt.
In schaufensterrelevanten Branchen, dazu zählen z.B. Bekleidung/Schuhe/Lederwaren, Haushalts- und persönlicher Bedarf sowie Möbel/Haus- und Heimtextilien, werden nach EHI-Schätzung rund 80 Mio. EUR für die Schaufenstergestaltung verwendet. – diese Ausgaben entsprechen etwa 2% der Marketingkosten der schaufensterrelevanten Branchen im gesamten deutschen Einzelhandel. Auch wenn kleinere Fachhändler meistens keine feste Budgetplanung haben, sind ihre Ausgaben pro Themendekoration von 150 bis 180 EUR zwischen 2010 und 2012 auf 300 EUR im Zeitraum 2012/2013 gestiegen. Dies ergaben Umfragen zum EHI-Ladenbau-Monitor 2014+. Nach Einschätzung der für den Management Report befragten Unternehmen kann bereits mit relativ geringen Kosten eine starke Wirkung beim Kunden erzielt werden.
Erfolgsfaktor«Wow-Effekt»
Einen der bedeutendsten Aspekte der Schaufenstergestaltung erläutert die professionelle Dekorateurin Karin Wahl: «Wieder mehr Aufmerksamkeit erregen durch emotionalere Schaufenster. Das individuelle Schaufenster als Lockmittel benutzen.» Nur wer mit seiner Gestaltung auffällt, kann den Kundenlauf stoppen und Interesse wecken. Gerade kleinere Einzelhändler hätten laut Karin Wahl damit die beste Möglichkeit, «sich mit ihrem wichtigsten Werbemittel von anderen zu unterscheiden.» Gleichzeitig dient die Dekoration dazu, Produkte und Sortimente hervorzuheben, Impulskäufe auszulösen, die Bekanntheit zu steigern und das Image zu pflegen. Denn als Visitenkarte eines Geschäftes repräsentiert ein Schaufenster das gesamte Erscheinungsbild eines Händlers – vom Design über das Sortiment und Preisniveau bis hin zur Zielgruppe und Fachkompetenz.
Mike Saul, der Inhaber des Rostocker Spielwarenfachgeschäfts «Wupatki», sieht die Gestaltung seiner zwölf Schaufenster als wichtigste Öffentlichkeitsarbeit an: «Durch eine emotionale Darstellung der Artikel versuchen wir den Kunden Appetit auf die Spielzeuge zu machen. Wir erzeugen Nachfrage mit Hilfe hochwertiger fertiger und selbst angefertigten Dekorationsmitteln.» Wie er betont, sehen die Kunden, mit welcher Begeisterung man die Artikel in Szene setzt. Dadurch werden sie motiviert, in das Geschäft zu kommen. Die durch Schaufenster erzeugte Begeisterung sieht Fachhändler Saul zudem als wesentlichen Vorteil gegenüber dem Internet, den er gerne nutzt. Deshalb legt er zudem großen Wert auf eine durchdachte Unterstützung durch die Lieferanten. Denn nur wenn diese ihre Händler mit guten Dekorationsideen unterstützen, steigt bei gelungenen Dekorationen der Abverkauf im Fachhandel.
Studien belegen, dass das Kaufverhalten des Konsumenten davon abhängt, ob ihm ein Fenster gefällt oder nicht. Hier spielt die kognitive Funktion eine entscheidende Rolle: Endverbraucher beurteilen z.B. die ausgestellten Produkte und deren Preise, die ihre Kaufentscheidung direkt beeinflussen. Über Beleuchtung, Farben oder Dekorationselemente wirken Schaufenster aber auch emotional auf Kunden. Diese Effekte dominieren die kognitiven Aspekte. Somit ist es für den ersten Eindruck unerheblich, womit Händler das Interesse vorbeilaufender Passanten wecken. Ob witzig, künstlerisch, üppig oder spärlich dekoriert– wichtig ist ein «Wow-Effekt», der den potenziellen Kunden fasziniert. Je besser einem Passanten die Gestaltung gefällt, umso höher sind seine Kaufbereitschaft, die beabsichtigte Einkaufszeit und der Geldbetrag, den er in einem Geschäft ausgeben würde.
Inspiration und Information
Professionelle Unterstützung bei der Gestaltung suchten Ladenbesitzer bereits ab Anfang der 1920er Jahre, sodass in dieser Zeit ein eigenständiges Berufsfeld entstand. Heute ist es egal, ob man die Experten Dekorateur, Schauwerbegestalter oder Gestalter für visuelles Marketing nennt: Ihre Aufgabe besteht immer darin, ein Schaufenster stimmig und passend zum Geschäft zu dekorieren. Denn in weniger als drei Sekunden entscheidet ein Konsument, ob er ein Angebot interessant findet oder nicht. Dabei gilt: je exklusiver die Produkte, desto aufwändiger die Inszenierung.
Artikel aus den Segmenten «Living und Giving» eignen sich zur Inszenierung von Themen. Doch auch für die Warenpräsentation von Spielzeug oder Baby-und Kleinkindartikeln bieten sich z.B. aktuelle bzw. regionale Ereignisse, Jahreszeiten oder Werbeaktionen von Lieferanten an. Während Kaufhäuser und Filialisten abhängig von Aktionszeiträumen und neuen Themen etwa alle vier bis sechs Wochen eine Umgestaltung vornehmen, nutzen kleinere Betriebe die Flexibilität, ihr Schaufenster je nach Bedarf neu zu gestalten. Einflussfaktoren, so ein weiteres Ergebnis des Management Reports, sind z.B. der Absatz bestimmter Produkte, aber auch saisonale Faktoren und externe Impulse wie Veranstaltungen. Während Händler ein Schaufenster als Kommunikationsinstrument und Differenzierungsmerkmal gegenüber anderen Handelsformen einsetzen sollten, nutzen es Kunden vor allem als Informations- und Inspirationsquelle.
Kleiner Einsatz, große Wirkung? Im zweiten Teil unserer Handelsserie liefern wir anhand von Praxisbeispielen Tipps rund um eine gelungene Schaufenstergestaltung.
Ziele einer Schaufenstergestaltung
Um sich im Wettbewerb abzuheben und von Kunden wahrgenommen zu werden, sollte eine Schaufenstergestaltung
Aufmerksamkeit erregen,
Interesse und Neugier wecken,
Information und Emotion bieten,
Botschaften vermitteln,
Geschichten erzählen,
Spaß machen.