08.07.21 – Gastspiel

Mit Augmented Reality zum Erfolg

Wie klassische Spielwarenhersteller die Möglichkeiten von Augmented Reality für sich nutzen können, erläutert unser Gastautor Martin Herdina, CEO von Wikitude, am Beispiel der Erfolgsstory von „Pokémon Go“.

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Martin Herdina ist CEO von Wikitude, einem österreichischen Anbieter von Augmented Reality-Software. © Wikitude

 
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Mit Augmented Reality lassen sich echte und digitale Spielwelten miteinander verschmelzen, ohne einander zu ersetzen. Hier löscht ein Feuerwehrauto das virtuelle Feuer. © Wikitude

 

Gaming-Hersteller erobern immer öfter fremdes Terrain: Virtuelle Helden springen aus den Bildschirmen direkt in die Kinderzimmer dieser Welt. Mithilfe von Technologien wie Augmented Reality (AR) verschmelzen reale und digitale Welten nahtlos miteinander. Zuletzt verlegte Software-Riese Nintendo das virtuelle Autorennen von Mario und Luigi mit dem neuen „Mario Kart Live Home Circuit“ direkt auf den Küchenfußboden. Vor genau fünf Jahren war es das Unternehmen Niantic, das mithilfe von AR sowohl Kinder als auch Erwachsene dazu brachte, virtuelle Pokémons auf Straßen und in Parks zu jagen. Seither hat das Spiel für 3,6 Milliarden US-Dollar Umsatz gesorgt. Nicht einmal eine Pandemie konnte die digitale Monsterjagd stoppen: Die Umsätze steigen immer noch. Kein anderes Augmented-Reality-Spiel war seither so erfolgreich.

Drei Erfolgsfaktoren

Niantic und Nintendo zeigen, dass Gaming-Hersteller von ihrer rein digitalen Welt immer öfter ins Territorium klassischer Spielwarenhersteller eindringen. Das kann zunächst bedrohlich sein. Doch was können Spielwarenhersteller aus „Pokémon Go“ lernen und für den eigenen Erfolg nutzen?

Das sind die drei Erfolgsfaktoren von „Pokémon Go“:

1. Die starke Marke: Vor „Pokémon Go“ brachte Niantic das AR-Spiel „Ingress“ heraus. Die Spielmechanik erinnert zwar sehr an „Pokémon Go“, trotzdem war „Ingress“ nie annähernd so beliebt. Die fehlende Geheimzutat ist die bereits gut etablierte und erfolgreiche Marke Pokémon. In der physischen Welt waren Pokémons schon verankert, lange bevor sie den Schritt in den digitalen Raum wagten. Dieses Jahr feiert Pokémon immerhin seinen 25. Geburtstag. Was bedeutet das für klassische Spielwarenhersteller? Wenn sie eine starke Marke haben oder eine solche lizensieren können, dann lohnt es sich, eine digitale Strategie darauf aufzubauen. Wer mit einer starken Spielzeugmarke den digitalen Raum betritt, ist den anderen bereits einen wesentlichen Schritt voraus.

2. „Pokémon Go“ holt Kinder UND Erwachsene gleichermaßen ab: Bildschirme und Smartphones sind in den Kinderzimmern von heute längst Realität. Spielwarenhersteller und Eltern können das nicht mehr ignorieren. Anstatt sie als Feinde zu sehen, sollten wir darüber nachdenken, wie wir die virtuelle Welt zu unserem Vorteil nutzen. „Pokémon Go“ zeigt es: Kinder sitzen nicht mehr ausschließlich vor ihren Bildschirmen, sondern sie bewegen sich wieder außerhalb der eigenen vier Wände. Anstatt die echte Spielerfahrung nur durch eine digitale auszutauschen, setzt man darauf, beides klug miteinander zu verbinden. Und das holt schließlich auch die Eltern wieder mit ins Boot: Die Bildschirmzeit der Kinder wird nicht mehr ganz so streng begrenzt, weil die Pokémon-Jagd auch die Bewegung an der frischen Luft fördert.

 „Pokémon Go“ holt Eltern dabei nicht nur ins Boot, sondern sogar zurück ins Spiel: Groß und Klein jagen gemeinsam nach den gelben Monstern oder formieren sich zu virtuellen Teams mit anderen Spielern. Die „Pokémon Go“-Erfinder docken bei den Erwachsenen geschickt an wohlig warme Kindheitserinnerungen an: Wer früher Pokémon-Plüschfiguren, Armbänder oder Sammelkarten besaß, den überkam 2016 ganz automatisch ein Gefühl der Nostalgie, wenn der eigene Nachwuchs plötzlich selbst mit dem Smartphone Pikachu & Co. sammelte. Mit Augmented Reality wird das Spielerlebnis um ein neues Narrativ erweitert und zieht so Spieler jeden Alters immer wieder in den Bann.

3. „Pokémon Go“ bleibt in der Not erfinderisch: In Zeiten der Pandemie könnte eine Schnitzeljagd im Freien durchaus ins Stocken geraten. Nicht so bei den Pokémon-Jägern. Niantic verlagerte den Spaß einfach in den Innenraum. Für eine „Battle League“ müssen die Spieler ihr Zuhause nun nicht mehr verlassen. Stattdessen können sie jederzeit und überall miteinander spielen. Das Ergebnis: 2020, ein Jahr, in dem es wohl niemand erwartete, spielte „Pokémon Go“ in den ersten zehn Monaten eine Milliarde US-Dollar ein – und verzeichnete damit sein bisher erfolgreichstes Jahr. Die Erkenntnis? Selbst wenn sich die Umstände radikal ändern, kann das eine Chance sein, sich neu zu erfinden.

Neue Spielerlebnisse mit Augmented Reality

 „Pokémon Go“ zeigt, wie on- und offline Spiele nicht nur nebeneinander existieren, sondern sich gegenseitig befruchten können. Bei Erwachsenen weckt „Pokémon Go“ Kindheitserinnerungen und stillt die Sehnsucht nach Bewegung an der frischen Luft verbunden mit Spiel, Spaß und sozialer Interaktion.

Wir wissen: Die Fantasie unserer Kinder ist nahezu grenzenlos. Für sie können virtuelle Wesen wie echt sein. Wenn wir sie mithilfe von AR-Spielfiguren zum Leben erwecken, dann beflügeln wir die Fantasie unserer Kinder noch weiter. Kinder erleben so die Vorteile aus beiden Welten. Sie spielen nach wie vor mit etwas Echtem und spüren trotzdem die Magie des Digitalen.

Königsweg digital und analog

Jetzt sind Sie an der Reihe: Wie kann Ihr Spielzeug das Beste aus beiden Welten kombinieren? Die gute Nachricht ist: Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, müssen Sie selbst weder Niantic noch Nintendo sein. Schon seit vielen Jahren werden innovative Spielkonzepte mit Augmented Reality umgesetzt. Ob mit Fahrzeugen, Sammelfiguren oder Brettspielen, AR kann mittlerweile in jeder Spielwarenkategorie die Fantasie der Kinder zu neuem Leben erwecken. Was früher zu technisch oder zu komplex erschien, kann jetzt mit einfachen Mitteln in ein Spielzeug integriert werden.

Unsere Kinder sind die Digital Natives von heute. Sie wachsen mit smarten Technologien auf, erben die ausrangierten Geräte ihrer Eltern und sie sind es gewohnt, nahtlos zwischen der realen und digitalen Welt hin und her zu wechseln. Diese Generation hat gänzlich neue Spielgewohnheiten. Sie verwenden das digitale Werkzeug, um sich in der echten Welt überhaupt erst zurechtzufinden (Hey, Alexa!). Die Kinder von heute erwarten regelrecht, dass ein physisches Spielzeug eine digitale Komponente enthält.

Überlassen Sie das Kinderzimmer von morgen nicht allein den Gaming-Riesen. Sie waren in der Vergangenheit erfolgreich und stark? Augmented Reality ist eine Chance, Ihr Spielzeug in eine noch stärkere Zukunft zu führen.

Über den Autor

Martin Herdina ist Tech-Unternehmer und seit 2008 Pionier im Bereich Augmented Reality. Bevor er bei Wikitude anheuerte, baute Martin Herdina fatfoogoo mit auf, einen Payment-Anbieter für Online-Spiele, und verkaufte es an Digital River (DRIV). Davor hatte er verschiedene strategische Rollen in Europa und den USA inne, so zum Beispiel bei Qpass Inc., UCP oder T-Mobile.