20.12.13
Marketing zum Anfassen
Es gibt nur wenige Spielwarenhersteller in Deutschland, die auf eine derartig bewegte Geschichte zurückblicken können – die Kösener Spielzeug Manufaktur gehört zweifellos zu ihnen. Jetzt krönt eine neueröffnete «Erlebniswelt» das Unternehmen.
Mitten im kleinsten Weinbaugebiet Deutschlands, dem Saale-Unstrut-Tal, liegt Bad Kösen. Hier werden seit über 100 Jahren Spielwaren produziert. Es war Käthe Kruse, die hier am Ort im Jahr 1911 eine Puppenwerkstatt eröffnete. 1949 verließ sie Bad Kösen, um mit ihren Kindern in Donauwörth eine neue Firma aufzubauen. Nach der Wende drohte dem traditionsreichen Unternehmen das Aus, nachdem der Markt förmlich über Nacht weggebrochen war. Es war schließlich der Unternehmerfamilie Schache zu verdanken, dass aus dem 1992 übernommenen traditionsreichen Betrieb der «VVB Spielwaren Sonneberg» wieder ein Hersteller wurde, der schwarze Zahlen schreiben konnte. Mit großem Engagement und viel Herzblut gelang es, die in reiner Handarbeit produzierten Plüschfiguren am Markt zu etablieren.
Seit Anfang November rundet nun die Kösener Spielwaren Manufaktur ihre wechselvolle Geschichte mit einem ganz besonderen Projekt ab: einer «Erlebniswelt». «Marketing zum Anfassen» nennt Unternehmenssprecher Dr. Helmut Schache das, was er seit vielen Jahren geplant hatte und jetzt endlich verwirklichen konnte. Ein historischer Gebäudekomplex, der seit einigen Jahren im Ort leer stand, wurde zum Vorzeigeobjekt umgebaut, das wohl einzigartig in der Spielzeugbranche ist. Investiert wurden in den «Mutigen Ritter» – so der Name der Immobilie – rund 2,6 Mio. EUR. Diese Summe setzt sich aus gut 1 Mio. EUR Fördergelder des Landes zusammen, etliche Gelder flossen auch von privater Seite. «Die Erlebniswelt ist unser Weg in das zweite Jahrhundert unserer Firmengeschichte», erläutert Schache anlässlich der feierlichen Eröffnung. In dem wiedererstrahlten Gebäudekomplex empfingen er und Geschäftsführerin Constance Schache ihre geladenen Gäste. Bei einer anschließenden Führung durch die rund 7500 m² großen Räumlichkeiten stand dann die «Gläserne Produktion» im Mittelpunkt des Interesses. «Hier zeigen wir unseren Besuchern, mit wie viel Fertigkeit, Erfahrung und Liebe unsere Plüschtiere hergestellt werden. Dabei wird ganz deutlich, wo der Unterschied zu den Massenproduzenten liegt», führte der Unternehmenssprecher dabei aus. So gehöre es zur Philosophie, dass ein «Made in Germany» nicht als plakatives Stichwort, sondern als ehrliche Umsetzung nachvollziehbar wird.
Einblicke ganz besonderer Art
Alle Plüschtiere von Kösener Spielwaren erheben einen Anspruch auf ein naturgetreues Design – gerade dieses Merkmal wird von vielen Kunden sehr geschätzt. Die Verwendung hochwertiger Materialien und eine fundierte handwerkliche Verarbeitung verbinden zudem eine langjährige Tradition mit innovativer Technologie. Wie Dr. Helmut Schache bei der Führung durch den «Mutigen Ritter» weiter ausführte, hatte man sich bereits beim Kauf des Unternehmens entschieden, im hochwertigen Bereich zu arbeiten, um die Philosophie der Gründerin fortzusetzen. Allein die Gestaltung eines neuen Modells dauert rund sechs bis acht Wochen. Dabei fertigen die hauseigenen Designerinnen durch genaue Beobachtung von Zoo-Tieren zahllose Skizzen und Fotos an. In einem zweiten Schritt entsteht dann eine erste Form aus modelliertem Ton. Mit dessen Hilfe werden schließlich die Schnittmuster erstellt – und dann erst kann mit der manuellen Fertigung begonnen werden.
Einmalig ist wohl auch die komplizierte Detailverarbeitung jedes Produktes, das sich aus zahlreichen Schnittteilen zusammenfügt. «Bei jeder unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muss die Innovation über den Kopf in die Finger gehen, um so vollendete Plüschtiere herstellen zu können», erläuterte Constance Schache beim Gang durch die Fertigung. Alle Kösener Produkte zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie aus sehr vielen Einzelteilen zusammengenäht werden. Für ein einzelnes Tier können das mitunter sogar bis zu 100 Teile sein – eine echte Herausforderung für die Mitarbeiterinnen. Zudem sind diese einzelnen Elemente oft sehr klein, so dass die Näharbeit mit äußerster Präzision ausgeführt werden muss.
Synergieeffekte des Konzeptes
Natürlich habe eine derart aufwändige Herstellung auch ihren Preis, erläutert die Geschäftsführerin. Zum Glück schätze der Endverbraucher auch wieder eine gute Qualität und sei durchaus bereit, dafür zu bezahlen. Man verspreche sich von den nun facettenreichen Einblicken in die Herstellung der Produkte, dass der Kunde für den Kaufpreis sensibilisiert werde. Zudem erhoffe man sich durch eine Mundpropaganda, den Bekanntheitsgrad der Marke zu stärken und den Gesamtumsatz zu steigern. Als erklärungsbedürftige Produkte werden die Kösener Plüschfiguren ausschließlich im gehobenen Fachhandel verkauft, bei den großen Filialisten möchte die Unternehmensleitung ihre Ware grundsätzlich nicht sehen. «Da zu unseren Slogans ‘ Klasse statt Masse‘ gehört, setzen wir das auch so gezielt im Handel um», argumentiert Constance Schache.
Umrahmt wird die «Gläserne Produktion» von einem Werksmuseum mit angeschlossenem Verkauf. Noch im Entstehen ist derzeit die «Drachenhöhle», ein Indoor-Spielbereich. Auch eine Bastelwerkstatt gehört zu dem Komplex. Für alle Besucher, die weiter anreisen, stehen 40 Zimmer im angeschlossenen Hotel zur Verfügung. Hinzu kommen zwei Ferienwohnungen für Familien. Diverse Salons, ein Restaurant und ein Festsaal runden die Möglichkeit des Aufenthalts ab. Damit aber konnte das ursprüngliche Konzept ohne jegliche Abstriche verwirklicht werden – eine Tatsache, auf welche die Firmenleitung besonders stolz ist. «So verbinden wir die 500-jährige Tradition des Mutigen Ritters mit der 100-Jährigen der Kösener Spielzeug Manufaktur auf außergewöhnliche Weise», meint Dr. Helmut Schache.
Bis zuletzt wurde im «Mutigen Ritter» umgebaut, renoviert und installiert. Derzeit läuft die weihnachtliche Produktion auf Hochtouren. Als logistische Herausforderung gelang es dem Unternehmen, diese in nur einem Tag von den alten Räumlichkeiten in die neue ansprechende «Gläserne Produktion» umzusiedeln. So konnte auch gewährleistet werden, für das so wichtige Weihnachtsgeschäft keine Zeit zu verlieren. Am alten Standort in der Rudelsburgpromenade bleibt nun lediglich das Lager bestehen.