31.12.19

Retail-Trends der Zukunft

Die große Apokalypse in der Retailbranche ist nicht eingetreten. Nicht alle lokalen Shops und Stores wurden wie befürchtet vom Online-Handel abgelöst. Allerdings stehen die Einzelhändler vor neuen Herausforderungen, wie Jana Neumann von der Full-Service Public Relations Agentur Wordfinder näher erläutert.

Spass-beim-Shoppen.jpeg

Konsumenten fordern heutzutage beim Shoppen in stationären Geschäften einen Mehrwert. © Jacob Ammentorp Lund - stock.adobe.com

 
Digitalisierung-POS.jpg

Digitalisierung spielt eine immer wichtigere Rolle am POS. © shutterstock

 
Alle Bilder anzeigen

Der Online-Handel wird die Filialen und lokalen Geschäfte nicht zu 100 % ersetzen können, doch die Landschaft der Retailer wird flexibler werden müssen. Gemischte Angebote wie halb Café/halb Store, Restaurants mit Produktplatzierungen oder große Flagship-Filialen sowie kurzfristige Pop-up-Stores sind die Zukunft. Viele Einzelhändler verbinden deshalb das Shopping mit besonderen Dienstleistungen oder Erlebnissen und bieten dem Kunden damit einen Mehrwert. Gerade in den Innenstädten geht der Trend immer mehr in Richtung Eventlocation und Erlebniseinkauf. Doch auf welche Trends und Konzepte sollte man als Retailer Wert legen, um sowohl kurz- als auch langfristig erfolgreich zu sein?

Die Digitalisierung macht auch vor dem Einzelhandel keinen Halt. Retailer müssen mehr auf die Kunden eingehen als früher. Dazu zählen neben den eigenen Bestandskunden auch die potenziellen Neukunden, die man mit gezielten Marketingaktivitäten gewinnen möchte. Daten sammeln, auswerten und anhand dieser Entscheidungen treffen, wird immer wichtiger. Retail ist Data, hieß es bei der größten Retail-Technologiemesse NRF Mitte Januar. Das lässt sich an einem Beispiel gut verdeutlichen. Wer regelmäßig bei einer Marke einkauft, bekommt über kurz oder lang Bestandskundenwerbung, wie z. B. einen Newsletter oder Brief mit Gutscheincode auf einen Teil der neuesten Kollektion. Damit wird Interesse geweckt und der Kunde geht zum Shop, um den Gutschein einzulösen. Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass der Kunde den Gutschein nicht nur einlöst, sondern auch gleichzeitig weitere Produkte im Store erwirbt.

Diese Art von Marketing funktioniert jedoch nur, wenn Kundendaten vorliegen, gepflegt und richtig eingesetzt werden. Das Thema „Künstliche Intelligenz" spielt dabei eine immer wichtigere Rolle. Die Algorithmen werden genutzt, um möglichst genau das Verhalten und die Interessen des Kunden vorherzusagen. Ein weiterer Schritt sind Kooperationen mit anderen Firmen, die eine ähnliche oder gleiche Zielgruppe haben. Der eigene Datensatz kann dabei schnell vergrößert werden.

Ein weiterer Trend aus diesem Bereich ist die Facial- und Vocalrecognition, die automatisch den Kunden erkennt, sobald er den Laden betritt. Momentan noch ein heikles Thema im Bezug auf Datenschutz, doch so werden in Zukunft wichtige Daten und Informationen gesammelt. Vocalrecognition erlangte weltweit vor allem durch Amazons Alexa Bekanntheit.

 

Mehr Erleben beim Shopping

In eine weitere Richtung geht die Kombination aus Gastronomie und Shopping, die Ikea umsetzt. Die Hemmschwelle, ein Produkt zu bestellen, ist weitaus geringer, wenn man es vor Ort bereits gesehen hat, anstatt es nur über den Katalog oder online zu erleben. Der Experimentierfreudigkeit sind dabei keine Grenzen gesetzt. Bei Dyson kann man sich mit dem Staubsauger die Haare föhnen, bei Sportartikelherstellern tatsächlich auf einem Laufband rennen und an einer Wand hochklettern, bevor man später zu dem neuesten Turnschuh geleitet wird. Der Verkauf des Produktes wird zur Nebensache und der Druck, nur in einen Store zu gehen, um zu konsumieren, verringert sich. Im Gegenzug bleibt das Erlebnis bei dem Kunden hängen und ein nachhaltiges Markenbewusstsein entsteht.

Es gibt auch Retailer, die kreativ ihren Platz optimieren und nur noch einen Artikel pro Größe im Store haben. Die Wiederbeschaffung muss dabei schnell und perfekt laufen. Vorteile sind: Es kann weniger oder gleiche Fläche mit mehr Sortiment genutzt werden. Pro Größe hält der Retailer eine Farbvariante bereit, die der Kunde anprobiert. Die Farbauswahl erfolgt im Anschluss und das Wunschmodell wird einfach nach Hause geschickt, sollte es nicht vorrätig sein. Die Lieferung nach Hause nimmt trotz lokalem Shopping zu. Niemand möchte sich durch das Tragen von Einkaufstaschen einschränken. Gerade deshalb sollte jeder lokale Shop auch die Liefermöglichkeit als Add-on anbieten. Um diese Zukunft logistisch abbilden zu können, sprießen Logistikzentren aus dem Boden, damit jedes Produkt möglichst am nächsten Tag oder sogar per Same-Day-Delivery verfügbar ist.

 

Individuelle und ganzheitliche Beratung

Die Konsequenz der neuen Trends ist, dass alle sich umstellen müssen. Service und Kompetenz sind dabei weiterhin eine Grundvoraussetzung. Die Einzelhändler, die ihre Mitarbeiter am besten schulen sowie das Kundenerlebnis durch eigene Mitarbeiter positiver gestalten, werden früher oder später die Gewinner sein. Die Digitalisierung kann den Retailern dabei helfen. Hat jedes Produkt im Shop beispielsweise einen Barcode, kann dieser vom Verkäufer abgescannt werden, um dem Kunden alle notwendigen Informationen zu liefern. Dabei geht es nicht nur um die Verfügbarkeit des Artikels, sondern auch um Details zu Qualität, Herkunft oder Vorteile des Produktes.

Soziale Medien nehmen bei der Kaufentscheidung eine immer größere Rolle ein. Inspirationen und Beratung holen sich viele Kunden über Influencer. Die Produktplatzierungen in sozialen Netzwerken oder in Filmen und Serien funktionieren hervorragend. In Zukunft wird die Werbung mit dem realen Kauf noch enger verknüpft sein. Weit entfernt von einem Button am Fernseher, mit dem man das Kleid der Schauspielerin direkt kaufen kann, sind wir sicherlich nicht mehr.

Um diese Art von Service zu realisieren, benötigt man eine große Datenmenge, nicht nur über die Kunden, sondern auch zu den Produkten. Gerade deshalb sind innovative und verlässliche Anbieter und Partner in puncto Digitalisierung wichtig. Je individueller der Kunde beraten wird und je schneller die Waren verfügbar sind, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er kauft. Viele Retailer müssen durch die neuen Trends nicht nur sich, sondern auch das eigene Angebot anpassen. Es entstehen neue Wettbewerber, die schnell mit der richtigen Strategie erfolgreich werden. Gerade im Bereich Nachhaltigkeit und Social Impact sprießen neue Start-ups und Konzepte aus dem Boden.