03.02.18 – Josephs, Nürnberg

Im Land der Möglichkeiten

Ganz nah am Markt sind Unternehmen, die ihre Ideen für Produkte oder Dienstleistungen im Nürnberger Josephs vorstellen: Das offene Innovationslabor unterstützt sie dabei, ganz nach den Bedürfnissen und Wünschen ihrer künftigen Kunden zu entwickeln.

Josephs-Exerlights-Lichter.jpg

Mit dem per App steuerbaren LED-System von Exerlights lassen sich die Reaktions- und Wahrnehmungsfähigkeit trainieren. © Meisenbach Verlag

 
Josephs-Sitzgelegenheit-und.jpg

Inmitten der Insel-Auftritte zur Themenwelt „Sinne: digital“ ist Platz zum Sitzen und Ausruhen. © Meisenbach Verlag

 
Alle Bilder anzeigen

„Das Josephs lernt ständig“, sagt Ingeborg Steinmetz, die als stellvertretende Projektleiterin jeden Tag in den Sandsteinbau Ecke Karl-Grillenberger-Straße/Hintere Ledergasse kommt. Im Souterrain des Hauses ist auf 400 m² viel Platz für Ideen: Neben dem echt italienischen Caffè Corretto und dem Veranstaltungsraum „Denkfabrik“ gibt es alle drei Monate eine neue Themenwelt zu entdecken.

Getreu seinem Motto „Practice what you preach“ hat sich auch das Josephs selbst, das im Mai 2014 als Projekt des Fraunhofer IIS/SCS in Nürnberg realisiert wurde, vor einem Jahr ein neues Aussehen gegeben: Auf Anregung der Besucher baute man die Service-Manufaktur so um, dass jetzt im offenen Innovationslabor zwischen Café und Präsentations- bzw. Forschungsinseln u. a. die Service-Theke steht. Hier stellen sogenannte Guides, sprich: Mitarbeiterinnen, kurz vor, was es gerade zu sehen und zu entdecken gibt, bevor sie Besucher in die Themenwelt begleiten. Deren offenes Mobiliar lädt zum Networking ein.

Alle Sinne nutzen

Bis November des vergangenen Jahres standen „Sinne: digital“ auf dem Programm: Interessierte konnten auf bzw. in den fünf verschiedenen Inseln Produkte und Dienstleistungen ausprobieren, die durch Digitalisierung den Spielraum der Sinne erweitern. Um die genauen Bedürfnisse in Bezug auf ein gezeigtes Produkt (oft noch als Prototyp) oder eine Dienstleistung herauszufinden, unterhalten sich die eigens geschulten Guides mit jedem Besucher im Josephs, hören ihm genau zu und greifen bei ihren Gesprächen auf leitfadengestützte Interviewbögen zurück. Alle drei Monate wechselt das Thema – seit 1. Dezember 2017 geht es um „Megatrends“.

Weil das Konzept des Ladens so offen ist, bekommt man dort im Unterschied zu herkömmlichen Analysen häufig Anregungen von Konsumenten, die das spezifische Produkt eigentlich nicht nutzen. „Gerade die Ausreißer der Marktforschung sind interessant für uns“, erklärt Steinmetz: „Das kann ein einzelnes Feedback sein, das unheimlich gut ist“ – und den Hersteller bzw. Anbieter in seinem Entwicklungsprozess sehr weit bringt.

Für die umfassende Ausrichtung auf den künftigen Kunden spielt Interaktivität eine große Rolle. Die Spin Master-Marke Meccano etwa wollte ihre Software für Roboter „Meccanoid“ erneuern und testete 2015 in der Themenwelt „Innovationen spielend entwickeln“ erst einmal aus, was gefragt ist. Bis heute animiert der tanzende und laufende Gefährte im Schaufenster Stadtbummler dazu, doch einfach einmal ins Josephs hereinzuschauen.

Interaktiv entwickeln

So kommen gerade an Samstagen oder am Nachmittag viele Neugierige in das offene Innovationslabor. Auch Freunde von italienischen Leckereien werden durch das Caffè Corretto in den Laden gelockt. Zu den üblichen Geschäftszeiten kann jeder Interessierte die jeweilige Themenwelt besuchen und Prototypen ausprobieren; häufig entdecken und testen außerdem größere Gruppen wie etwa Schulklassen oder Studenten die Neuheiten.

„Sinn dieser ‚Open Innovation‘ ist die Win-win-Situation für Unternehmen“, betont Ingeborg Steinmetz. Durch den Auftritt im Josephs werde eben nicht am Markt vorbei entwickelt, sondern genau nach seinen Bedürfnissen. Ulbrich Spieledesign z. B. ließ Besucher ein Schachspiel aus Holz mitgestalten, bei AngelCab konnten per Online-Konfigurator individuelle Kinderwagen aus ökologischen Materialien zusammengestellt werden und Bag to Life hatte recycelte Taschen zum Ausprobieren im Gepäck.

Wer als Unternehmen nah am Kunden sein möchte, erarbeitet vorher „co-kreativ“ im Workshop mit dem Josephs-Team das Forschungs-Design seiner geplanten Insel. Dabei geht es um explizite Fragen und das genaue Aussehen des Test-Szenarios. Die eigentliche Präsenz in der Themenwelt läuft dann über drei Monate; nach den ersten beiden Wochen steht ein Qualitäts-Check auf dem Programm. Im abschließenden Ergebnisbericht wertet das Josephs-Team die Feedbacks von durchschnittlich 3000 Besuchern pro Themenwelt aus.

Rund 25.000 Euro bezahlen Unternehmen für ihren Insel-Auftritt, zusätzliche Module wie die „Denkfabrik“ (Workshops, interne Meetings ...) oder Zwischenauswertungen können sie individuell dazubuchen. Als Josephs-Partner unterstützt bayernkreativ (Das Bayerische Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft) die Teilnahme von Start-ups finanziell. „Eine Institution wie unsere eröffnet sehr viele Möglichkeiten“, weiß Steinmetz.

Die Zukunft sichern

Entwickelt wurde das Teilprojekt der Nürnberger „Service Factory“, um die Metropolregion zu stärken: „Ziel ist es, Unternehmen bei der Entwicklung neuer Dienstleistungskonzepte und bei innovativen Ansätzen bestmöglich zu unterstützen“, erzählt Steinmetz. Gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie eröffnete das Fraunhofer SCS in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik 1 an der FAU Erlangen-Nürnberg den Laden, der 2017 als „Ort im Land der Ideen“ ausgezeichnet wurde.

„Wir möchten, dass das Josephs zum Selbstläufer wird“, betont die stellvertretende Projektleiterin – denn wenn die Gelder nicht mehr fließen, soll es natürlich weitergehen: „Unser mittlerweile großes Netzwerk bietet viele Optionen.“ Auf zahlreiche Partner wie beispielsweise Ultra Comix kann das Josephs bereits heute zählen. Zudem wächst das Interesse an Workshops und Aktivitäten in der „Denkfabrik“ stetig und sorgt für ein immer breiter gefächertes Veranstaltungsangebot. „Wir versuchen, immer besser zu werden“, sagt Steinmetz. Und vielleicht erfüllt sich sogar irgendwann der Wunsch, auch in anderen Städten ein Innovationslabor zu eröffnen ...