01.09.14
Führen leicht gemacht?
Teilweise werden Führungskräfte im Fachhandel ohne systematische Ausbildung und ohne Kenntnisse der relevanten Werkzeuge in ihre Position gesetzt. Ein Umstand, der dazu führt, dass Vorgesetzte und deren Mitarbeiter die gesteckten Ziele nur mühselig erreichen. Wir geben an dieser Stelle Tipps, wie Vorgesetzte Aufgaben delegieren können, um selbst ihr Pensum zu erfüllen.
Führungskräfte klagen oft über Überlastung. Dabei sind sie teilweise selbst schuld. Anstatt Aufgaben sinnvoll zu delegieren, versuchen sie alles selbst zu «stemmen» oder betreiben nur Scheindelegation – ein grundlegender Fehler. Denn wer delegieren kann, schafft sich den Freiraum für die wirklich wichtigen Aufgaben. Es ist unerlässlich, sich klar zu machen, dass die Anzahl der Aufgaben, die man übernehmen kann, begrenzt ist, ganz egal, wie hart man arbeitet. Durch Delegieren kann man sich die Zeit-Ressourcen schaffen, um den wirklich entscheidenden Aufgaben nachzukommen. Deshalb sollte eine erste Frage als Leader sein: «Was werde ich ab sofort nicht mehr selbst tun?». Neben der Notwendigkeit, für sich selbst zeitmäßig Freiraum zu schaffen, hat die Aufgabendelegation einen weiteren Vorteil, denn bedeutende und unverzichtbare Aufgaben zu delegieren, heißt immer auch, ihnen mit Wertschätzung zu begegnen. Wenn man seinem Mitarbeiter Aufgaben überträgt, die er lösen kann, fördert das auch umgekehrt das Vertrauen des Mitarbeiters in seinen Vorgesetzten.
Ein durch und durch eingespieltes Team, das sich gegenseitig vertraut, ist «Spielwaren Schweiger», mit Sitz in Nürnberg. Klaus Müller und seine zwölf Angestellten kennen sich bereits seit sehr vielen Jahren. «Wir sind hier wie eine große Familie, jeder hat ein Mitspracherecht und jeder kennt seine Aufgaben ganz genau», erläutert der Geschäftsführer. Während er sich vor allem um den verwaltungstechnischen und -organisatorischen Bereich kümmert, übernehmen seine Mitarbeiter z.B. die Vertreterbesuche und die entsprechende Auswahl der neuen Produkte. Dabei hat jeder sein eigenes Fachgebiet, in dem er relativ frei agieren kann. «Ich kann mich auf mein Team voll und ganz verlassen, so weiß ich, wenn ich im Urlaub bin, dass alles rund läuft», freut sich der Fachmann.
Um dieses gegenseitige Vertrauen aufzubauen, können Chefs anfangs einfache Aufgaben an ihre Mitarbeiter verteilen, wie z. B. eine Inventurliste zu erstellen. Auf diese Weise bauen Angestellte Selbstvertrauen auf. Wenn dies gut funktioniert, dann kann eine komplette Funktion, wie beispielsweise die Buchhaltung zu führen, abgegeben werden. Wenn Sie mit den Ergebnissen zufrieden sind, dann gehen Sie zur nächsten Stufe über. Zunächst sollte man seine Mitarbeiter also Aufgaben machen lassen, dann Funktionen und danach Projekte. Damit ermöglicht man es, sich zu bewähren und zu verbessern.
Tipps für Mitarbeiterführung
Die folgenden sechs Schritte zeigen, was Führungskräfte beim erfolgreichen Delegieren beachten müssen.
°Der erste Schritt ist, sich die Frage zu stellen: «Warum ich?». Ist man selbst die Person, die diese Aufgabe erledigen muss? Falls nicht, dann sucht man sich aus seinen Mitarbeitern denjenigen aus, der diese Aufgabe am besten ausführen kann. Dabei sollten die Anforderungen der Aufgabe auf die Fähigkeiten des Mitarbeiters abgestimmt sein.
°Im zweiten Schritt führt man ein Vieraugengespräch mit dem ausgewählten Mitarbeiter und stellt sicher, dass dieser die Aufgabe genau verstanden hat. Wichtig ist, klare, messbare Ergebnisse vorzugeben und das «wie», «was» und «warum» der Aufgabe zu besprechen.
°Im dritten Schritt werden Fristen und Fälligkeitstermine festgelegt, dabei ist auf realistische, aber eher kurze Fristen zu achten. Klären Sie was bis wann abgeschlossen sein soll, wann das Projekt fertig sein wird und wann Sie sich zu Etappenzielen treffen.
° Nunmehr gilt es zu klären, welche Ressourcen benötigt werden. Beim Delegieren sind auch die notwendigen Mittel, dem Umfang entsprechend, zu übertragen.
° In einem fünften Schritt ist die gesamte Aufgabe zu übergeben und sich dann nicht mehr einzumischen. Wenn Mitarbeiter um Hilfe bitten, dann kann man als Chef an dieser Stelle Vorschläge machen. Die übertragene Aufgabe sollte aber auf keinen Fall wieder zurückgenommen werden, da Mitarbeiter das Gefühl erhalten sollten, dass es sich um seine eigene Aufgabe handelt, für die er allein zuständig und verantwortlich ist.
°Der sechste Schritt des effektiven Delegierens umfasst die Vereinbarung von Fortschrittsberichten. So sind insbesondere bei größeren Projekten regelmäßige Zustandsberichte notwendig, um eventuelle Verzögerungen zu verhindern. So können Vorgesetzte die übertragene Aufgabe verfolgen und Mitarbeiter wissen, dass sie auf dem richtigen Weg sind.
Motivation als Basis
Eine der wichtigsten Aufgaben als Vorgesetzter besteht darin, andere Menschen zu befähigen, Aufgaben zufriedenstellend zu übernehmen. Voraussetzung zum erfolgreichen Delegieren ist Vertrauen zu demjenigen, dem man die Aufgabe überträgt. «Gegenseitige Hochachtung und Respekt sind zwei wesentliche Faktoren, die unser Team kennzeichnen», erläutert dahingehend Beat Lutz. Der Schweizer Spielwarenhändler führt gemeinsam mit seiner Frau Ursi und den beiden erwachsenen Kindern Patrick und Kerstin sechs Filialen mit großem Erfolg. Bei der Mitarbeiterführung setzt er auf flache und horizontale Hierarchien. Sollte es einmal zu Fehlern bei der Arbeit gekommen sein, dann redet man im Team sachlich und korrekt darüber. Schuldzuweisungen gibt es ganz bewusst nicht, vielmehr sucht man gemeinsam nach den Ursachen für das entstandene Problem.
Auf diese Weise gelingt es dem Filialisten, seine Angestellten zu motivieren. Dies schafft man am besten, wenn diese positive Erfahrungen bei der Bewältigung von Herausforderungen gemacht haben. Lob und Tadel hingegen sind gutgemeinte Versuche – mehr nicht. «Ein Abkanzeln einzelner Mitarbeiter halte ich für vollkommen falsch», betont Beat Lutz. Die Fähigkeit, andere Menschen anzuleiten, zu motivieren und zu befähigen, dass diese dann erfolgreich Aufgaben übernehmen, ist eine wesentliche Grundlage für den Erfolg als wirksamer Leader.
Im zweiten Teil unserer Handelsserie beschäftigen wir uns dann mit dem Thema «Ausbildung im Einzelhandel».
Unser Autor
Matthias K. Hettl, Dipl.-Ökonom, Dipl.-Betriebswirt (FH), ist seit 1995 Geschäftsführer des Management-Institutes Hettl Consult in Rohr bei Nürnberg. Als Executive Coach, Trainer und Managementberater begleitet er mit seinem Team Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräfte mit den Schwerpunkten Leadership Skills und Managementkompetenzen. Matthias Hettl ist Buch- und Hörbuchautor und Verfasser zahlreicher Fachartikel und als «excellent speaker» im deutschen Sprachraum und in Europa tätig. In seinem neuen Buch «Führung kompakt. Faszination Geld – wie es uns motiviert und antreibt» (Verlag Business Village) hat der Managementberater aus der Flut der Methoden und Werkzeuge die wichtigsten zusammengestellt.