27.12.18 – Interview mit Boris Hedde, IFH Köln GmbH

„Alle Macht geht vom Kunden aus”

Ladengeschäfte müssen heute mehr sein als reine Verkaufsorte: Der Kunde möchte begeistert werden und etwas Besonderes erleben. Wie sollte der Handel damit umgehen? Antworten liefert die Studie „Status Quo des Handels in Deutschland“ vom IFH Institut in Köln. Im Gespräch mit den Messeverantwortlichen beantwortet Boris Hedde, Geschäftsführer der IFH Köln GmbH, weiterführende Fragen.

EinkaufenHandy.jpg

Den Kunden digital erreichen und gleichzeitig ins stationäre Geschäft führen – das soll dem Handel mit Cross-Channel-Strategien gelingen. Foto: Gonnado © Gonnado

 
Boris-Hedde.jpg

© Messe Frankfurt Exhibition GmbH

 

das spielzeug: Welches war für Sie, als erfahrener Handelsforscher, das überraschendste Ergebnis dieser Studie?

Boris Hedde: In der oft subjektiv geprägten Diskussion um die Bedeutung der Digitalisierung und zur Zukunft im Handel ermöglicht die Studie, dem Bauchgefühl mit Zahlen zu begegnen. Für mich war das entscheidende Ergebnis, dass das Wachstum der Gesamtbranche „Handel“ gerade in den letzten drei Jahren durch erhöhte Konsumausgaben einen Schub erhielt, der sowohl für das Online- als auch für das Offline-Geschäft Wachstum bereithielt. Das steht im Widerspruch zu den Prognosen, die noch vor ein paar Jahren galten. Lediglich für den kleinbetrieblichen Handel ist das Zeitfenster für die Anpassung an die Entwicklungen der Digitalisierung größer als noch 2014 prognostiziert. Dennoch nimmt mit Blick auf die Prognosen in der Studie der Handlungsdruck immer stärker zu. Die Branche wäre gut beraten, Anstrengungen im Kontext der Digitalisierung zu forcieren.

das spielzeug: In Ihrer Studie sprechen Sie viel vom Online-Offline-Wettbewerb. Wie sieht hier die Zukunft aus? Ist der Online-Handel der Feind des stationären Handels oder gibt es ganz neue Entwicklungen?

Boris Hedde: In einer Zeit, in der das Verbraucherverhalten die strategische Leitlinie sein muss, gilt es, dem Cross-Channel-Verhalten der Verbraucher Rechnung zu tragen. Es ist nötig, sich bewusst zu machen, mit welcher Strategie an der Entwicklung partizipiert werden kann. Durch das Voranschreiten von Online-Plattformen stehen die Anbieter nicht nur vor der Frage, ob und wie eine Strategie mit einem eigenen Online-Shop aussehen kann. Vielmehr ist zu prüfen, wie Kunden digital erreicht und gleichzeitig in das stationäre Geschäft geführt werden können. Wachstum kann auch über die strategische Nutzung von Vertriebsplattformen möglich sein. Das Spektrum der Optionen ist groß, entsprechend ist eine Wettbewerbsbetrachtung mit Fokus auf online-offline zu kurz gegriffen. Der Verbraucher wird nachweislich bequemer. Dadurch stehen heute auch stationäre Standorte viel stärker im Wettbewerb zueinander. Diese Entwicklung fordert alle Anbieter, bietet aber auch Raum für neue Kooperationsstrategien.

das spielzeug: Was kann oder muss der Händler, egal, ob Warenhaus oder Facheinzelhandel, heute beachten, um konkurrenzfähig zu sein?Boris Hedde: Alle Macht geht vom Kunden aus. Wer ihn und sein Verhalten versteht, wird ihn auch besser bedienen. Die Strategie der Sortimentsvielfalt kann heute keine stationäre mehr sein. Sortimentsvielfalt findet sich im Netz. Es wird daher wichtig, andere Aspekte zu berücksichtigen. Im einen Fall geht es um Convenience, hier gilt der Fokus der Prozesstransparenz, der Vereinfachung und dem Service – all das dient der Bequemlichkeit. Im anderen Fall geht es um das Shopping-Erlebnis. Hier stehen die Themen Inspiration, Involvierung, Emotionalisierung oder lokale Bindung im Fokus. Die richtige Zusammensetzung dieser Ströme, maßgeschneidert für die anvisierte Zielgruppe, wird für den nachhaltigen Erfolg entscheidend sein.

das spielzeug: Wie sind Ihre Rückschlüsse bezogen auf die Branchen der Christmasworld, Paperworld und Creativeworld?

Boris Hedde: Wir haben in der Studie gesehen, dass gerade der kleinbetriebliche Fachhandel von der Entwicklung besonders betroffen ist. Es wurde zudem offenbar, dass gerade die Sortimente der Innenstadt rückläufige Wachstumsraten aufweisen. Je kleiner die Handelsformate, desto stärker ist der Abschmelzungsprozess. Dies ist von Bedeutung für die genannten Messen, weil deren Besucher Großhändler, Online-Händler, Streckenhändler und eben auch kleinere Facheinzelhändler sind. Ausgehend von der Tradition und der nachweisbaren Relevanz der Messen für die mittelständisch geprägte Handelswelt, ergibt sich ein großes Unterstützungspotenzial. Denn als Anlaufstelle für Information und als Vernetzungsplattform können die Messen neue Funktionen übernehmen und neuen Mehrwert für die Teilnehmer offerieren.

das spielzeug: Was können Messen leisten, um den Handel zu unterstützen bzw. wie profitiert der Handel von Fachmessen?

Boris Hedde: Ähnlich der Entwicklung, die wir auf dem Gesamthandelsmarkt sehen, wird der Fokus nicht mehr nur auf Sortimentsbreite liegen können. Vielmehr gilt es, Besuchern der Messen nahe zu bringen, mit welchen Strategien dem Strukturwandel zu begegnen ist. Einerseits sind die gesellschaftlichen Megatrends strategische Ansatzpunkte, andererseits sind Digitalisierung allgemein und am POS zu adressieren, um den überwiegend mittelständisch geprägten Messebesuchern Wege zur Zukunftssicherung aufzuzeigen.