22.11.24 – Fachgeschäft des Monats
„Amedi Spiele“: Mehr als nur Spielwaren
Das oberbayerische Reischenhart, südlich von Rosenheim, ist so überschaubar, dass es nicht mal ein Lebensmittelgeschäft gibt. Hier ein Fachgeschäft für Spielwaren zu eröffnen, erfordert viel Mut und Kreativität. Beides brachte Annemarie Dettendorfer mit, als sie „Amedi Spiele“ eröffnete. In diesem Jahr feiert das Geschäft seinen 20. Geburtstag.
Der Mix aus Klassikern und Spielwaren, die man nicht überall findet, ist es, der die Kunden von „Amedi Spiele“ begeistert. Neben großen Lieferanten wie Lego, Ravensburger, Kosmos, BB-Klostermann und Djeco findet man hier auch Produkte kleinerer Hersteller, die sich durch das gewisse Extra auszeichnen. „Wir machen außerdem nicht jeden neuesten Schrei der Werbeindustrie mit, sind allerdings auch keine Dogmatiker, die ausschließlich auf Holzspielzeug setzen. Unsere Kunden sollen bei uns immer auch etwas Besonderes entdecken können“, sagt Inhaberin Annemarie Dettendorfer mit Verweis auf die Springseile von Pfingstweid, die sich so gut drehen, dass Springseilhüpfen viel leichter erlernbar ist.
Die Zusammenarbeit mit den Herstellern klappt bei „Amedi Spiele“ sehr gut. „Wir sprechen es an, wenn uns etwas stört, und schätzen es, wenn wir vom Außendienst Infos bekommen“, erzählt Annemarie Dettendorfer und hebt besonders die für sie wertvollen Buchtipps des Loewe-Verlags hervor. „Das fachliche Wissen unserer Ansprechpartnerin und ihre Begeisterung für Bücher ist ansteckend und die Verkaufsargumente sind somit gleich mitgeliefert.“ Was ins Sortiment kommt, wird bei „Amedi Spiele“ im Team entschieden, zu dem neben Annemarie Dettendorfer noch zwei weitere Personen im Laden zählen. „Wenn es uns allen gefällt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es auch unseren Kunden gefällt“, erklärt sie.
Ohne ihr Team, so die Inhaberin, hätte sie das alles nicht schaffen können. Zwei Jahre nach dem Start kam Leseratte und Spiele-Expertin Susi Franz ins Team. Danach komplettierte Steffi Mischner das Amedi-Team, die ebenfalls viel liest und sich neben Ein- und Verkauf u. a. auch um den Versand kümmert. „Gemeinsam haben wir gute und schlechte Zeiten überstanden und immer versucht, unser Geschäft noch besser und vielfältiger zu machen und für den Charme des ‚schönsten Ladens diesseits des Mississippi’ zu sorgen“ sagt Susi Franz.
Sich selbst ausprobieren
Ihr 80 m² großes Geschäft liegt in Reischenhart, „in der Pampa“, wie die Inhaberin sagt. Die Kunden kommen aus dem Inntal, aus dem nahe gelegenen Rosenheim und z. T. aus München, dank der Parkmöglichkeiten vor dem Geschäft zumeist mit dem Auto. Dass die Lage nicht ideal ist, war Annemarie Dettendorfer schon zu Beginn klar. Deshalb wollte sie mehr bieten als bloß wertige Spielwaren. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Annemarie Dettendorfer eine Ausbildung zur Schreinerin absolviert hat und viele Jahre in der Schreinerei ihres Mannes mitarbeitete. Die Idee, eine Holzwerkstatt ins Geschäft zu integrieren, bei der Kinder sich selbst ausprobieren können, lag demnach nah. In dem Raum neben dem eigentlichen Laden finden Kurse und Veranstaltungen statt, bei denen Kinder drechseln, schnitzen und Bogen bauen können – unter Anleitung von Pit Fürleger, Schreiner und Kindergartenpädagoge, der für die Inhaberin auch wertvoller Austauschpartner ist. Er liefert u. a. die Ideen für Kindergeburtstage. Die Junghandwerker sägen, bohren und hämmern eigenen Stücke wie Pferde, Katzen, Einhörner, Dinos oder Autos, bemalen sie und können sie am Ende stolz mit nach Hause nehmen. Zu den besonderen Angeboten gehörten auch Geburtstagskisten und von der Inhaberin selbst entwickelte Bastelboxen. Und: Im „Amedi Spiele“ wurde bereits 2006 ein Weltrekord aufgestellt. Innerhalb von 22 Minuten lernten damals 25 Kinder und Jugendliche zwischen acht und 16 Jahren das Jonglieren mit drei Bällen.
20 Jahre „Amedi Spiele“
An die Eröffnung ihres Geschäfts zwei Jahre zuvor erinnert sich Annemarie Dettendorfer als „chaotische Hau-Ruck-Aktion“. Sie selbst sei damals ein absolutes „Greenhorn“ gewesen „mit zu wenig Ahnung, zu wenig Eigenkapital und einem schlechten Standort“. Dank kluger (Marketing-)Entscheidungen, „Amedi Spielwaren“ verschickt z. B. einen Newsletter mit Produkttipps, postet regelmäßig auf Social Media und hatte sehr früh eine Website, mit der es im Internet auf sich aufmerksam machte, kann das Geschäft 2024 seinen 20. Geburtstag feiern. Dafür hat Annemarie Dettendorfer ein vielfältiges Programm zusammengestellt. U. a. wird es einen Vortrag des bekannten Unterwasserarchäologen und Terra X-Moderators Dr. Florian Huber geben, Dr. Döblingers geschmackvolles Kasperltheater wird mehrere Aufführungen abhalten und ein Mitmachkonzert für die ganze Familie bringt „Wurliz, den kleinen Troll“ nach Reischenhart.
Netzwerken und Dankbarkeit
Seit vielen Jahren steht die Inhaberin als Mitglied bei idee+spiel auch in engem Kontakt zu anderen Spielwarenhändlern. In regelmäßigen Zoom-Calls tauscht sie sich mit ihren Kollegen aus und gemeinsam erkennen sie Trends frühzeitig. Die angesagten „Tonie®-Boxen“ konnte das Netzwerk deshalb bereits zwei Jahre vor Beginn des Hypes ins Sortiment aufnehmen. Die Gruppe hilft sicherlich auch bei Unsicherheiten, die auch Annemarie Dettendorfer ab und an erlebt. „Letztlich ist es aber die Bestätigung der Kundschaft, die mich motiviert und antreibt“, sagt sie. Das war auch bei Corona so, als kurzerhand ein ohnehin geplanter Abholschrank etwas früher eingerichtet wurde. Geplant war er für Eltern, die es nicht während der Öffnungszeiten in den Laden schaffen. Während der Pandemie war er ein wichtiger Pfeiler, um das Geschäft am Laufen zu halten. „Herausforderungen wird es immer geben“, sagt Annemarie Dettendorfer in diesem Zusammenhang. „Was noch alles auf uns zukommt, wissen wir heute noch nicht. Ich bin auf jeden Fall dankbar, dass ich mit meinem Team aus wertvollen und engagierten Menschen zusammenarbeiten darf, eine abwechslungsreiche Arbeit habe und freue mich, wenn mir die Kinder zuwinken, wenn ich mit meinem bunt bedruckten ‚Amedi’-Auto unterwegs bin.“
Kleiner Namensgeber
Bleibt nur noch eine Frage offen: Warum der Name? „Das bin ich“, erklärt Annemarie Dettendorfer. „Ich habe einen kleinen Spezl, der genau 29 Jahre jünger ist als ich. Der konnte damals Annemarie nicht richtig sagen und nannte mich deshalb ‚Ammedi‘.“ Das zweite ‚M‘ musste weichen. „Ammedi hätte blöd ausgeschaut über der Tür.“