06.01.20 – Konzepte aus aller Welt

Der Store der Zukunft

Wie sieht der Store der Zukunft aus? Dieser Frage geht unser Gastautor Alexander Behrsing in unserer Rubrik „Zukunft des Einkaufens“ nach.

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Um den Kunden die komplette Auswahl an Zelten präsentieren zu können, setzt der Sportausrüster Decathlon auf Virtual Reality. © Decathlon

 
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© Mood Media

 

Die Ergebnisse erwecken den Anschein, als hätte es die vielen Diskussionen der Vergangenheit gar nicht gegeben: Der stationäre Handel, so stellte es das EHI Retail Institute soeben fest, gibt nach wie vor den Ton an („Stationärer Einzelhandel Deutschland 2019“). Die Top 1000 der stationären Vertriebslinien in Deutschland, so der EHI, erwirtschafteten 2018 einen Netto- Umsatz von rund 311 Mrd. Euro. Das sind fast 60 % des gesamten Einzelhandelsumsatzes, wobei hier der Lebensmittelhandel dominiert, gefolgt vom Segment Do-it-Yourself & Einrichten. Was die Studie noch zusätzlich interessant macht: Der Umsatz der drei größten stationären Handelsunternehmen ist höher als der des gesamten Online-Handels in Deutschland (56 Mrd. Euro).

Aus der Erhebung lässt sich damit eine wichtige Schlussfolgerung ableiten: Der stationäre Handel, das klassische Ladengeschäft, bildet nach wie vor das Rückgrat des Einzelhandels in Deutschland. Der Siegeszug des E-Commerce ist also längst nicht so final, wie es mancherorts beschrieben wird. Allerdings dürfen die Umsatzzahlen auch niemanden in trügerischer Sicherheit wiegen. Denn die Umsatzzahlen im E-Commerce steigen jährlich an.

Der Store der Zukunft spricht alle Sinne an

Der Handel sollte deshalb die Chance nutzen, sich als moderne Shoppingwelt zu präsentieren, die der virtuellen Welt in vielen Belangen überlegen ist. Er sollte dem Kunden eine Erlebniswelt bieten, in der er sich gerne aufhält, wo er Produkte haptisch anfassen und testen kann, wo er durch Duft und Klang inspiriert wird, Menschen mit ähnlichen Interessen treffen und an Events oder Tutorials teilnehmen kann. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Durch die Digitalisierung und die sich ständig weiter entwickelnden technischen Tools erhöht sich die Möglichkeit der Produktinszenierung nahezu im Wochenrhythmus. Noch sind solche mutigen, innovativen Konzepte in Deutschland nicht die Regel. Weltweit jedoch lassen sich zahlreiche Beispiele finden von Stores, die es geschafft haben, mit außergewöhnlich kreativen Ansätzen die Zahl der Ladenbesucher kontinuierlich zu steigern.

Pirch Showroom in New York

Der High-End-Haushaltsladen Pirch hat hier Pionierarbeit geleistet. Mit seiner Niederlassung in New York hatte er es geschafft, die chronisch unter Zeitdruck stehenden New Yorker zu beeindrucken. So stark, dass sie dort tatsächlich ganze Nachmittage verbringen wollten, um sich mit schön designten Bädern und Küchengeräten auseinanderzusetzen. Das Ambiente erweckte den Eindruck, als befände man sich in den eigenen vier Wänden, sogar Haustiere waren erlaubt. Egal, ob Kühlschrank, Wasserkocher oder edle Espressomaschine – alles konnte vor Ort getestet werden. Kochkurse und sogar ein Spa-Bereich, um sich vom Shoppen zu erholen, machten das Einkaufen zu einem Event. Inzwischen ist der Showroom in New York zwar geschlossen, doch das Konzept wurde auf vier Städte in Kalifornien übertragen.

Lego Flagship Store in Shanghai

Wer sehen will, wie der Store der Zukunft aussehen könnte, sollte auch immer einen Blick nach China werfen. In welche Dimensionen der Store der Zukunft vorstoßen kann, machte kürzlich Lego deutlich. Der Spielzeughersteller eröffnete im September 2018 seinen Flagship Store in Shanghai und setzte damit gleich mehrere Benchmarks. Auf über 600 m² können sich die Kunden aktiv mit den Herausforderungen einer Stadt der Zukunft auseinandersetzen. Sie können dort mit Tausenden an Lego-Steinen ihre eigenen Ideen und Kreationen entwickeln, gemeinsam mit anderen an urbanen Lösungsvorschlägen arbeiten und sich im interaktiven Bereich mit energetischen Herausforderungen befassen. Für rund 145 US-Dollar kann man sich zudem ein ganz persönliches Mosaik-Porträt aus Legosteinen erstellen lassen – als Erinnerung an einen unvergesslichen Shopbesuch.

Decathlon mit Virtual Reality

Oder Decathlon. Der Sportausrüster setzte sich länger mit der Frage auseinander, wie er seinen Kunden seine große Auswahl an Zelten präsentieren könnte. Der Ausstellungsraum war begrenzt, mehr als ein Dutzend Zelte konnten im Shop nicht aufgestellt werden. Die Lösung ist ein Pilotprojekt, das Decathlon in sieben Ländern und über 30 Stores gestartet hat und das den Kunden einen virtuellen Spaziergang durch das Zelt-Sortiment ermöglicht: Mit einer VR-Brille kann man sich auf einer Fläche von 9 m² völlig frei um das 3-D-Modell seines ausgewählten Zelts bewegen. Sogar die Umgebung – Gebirge, Wald oder Wüste – kann man auswählen, selbst Witterungsverhältnisse lassen sich simulieren. Mit einem weiteren Klick kann der Kunde seinen Kopf in die virtuelle Behausung stecken und sich dort umsehen.

User Experience entscheidet

Sicher, die Beispiele mögen die Etats kleinerer Händler übersteigen. Aber sie zeigen deutlich, dass sich mit Kreativität, klugen Konzepten oder der Einbindung digitaler Welten die Shopping-Experience verbessern lässt. Es ist keine Frage der Höhe des Budgets, sondern der Ideen und des perfekten Zusammenspiels der Maßnahmen. Das gilt übrigens auch für Marken, die sich im Handel positionieren und ihren Markenkern bis zum Kauf in der realen Welt festigen wollen. An dieser User Experience am Point-of-Sale werden zukünftig Shops und Marken von Kunden gleichermaßen gemessen werden.

 

Der Autor

Alexander Behrsing ist Marketing Manager bei Mood Media Germany. Hier verantwortet er die Entwicklung, Gestaltung und Umsetzung der landesspezifischen Unternehmenskommunikationsstrategien. Er verwaltet und steuert die Social Media- sowie die Online-Marketing-Aktivitäten des weltweit aktiven Anbieters von Customer-Experience-Lösungen am Point of Sale.