08.02.18 – Zukunft des Einkaufens

Die Story vom Online-Offline Krampf

Boomender Online-Handel und aussterbende Innenstädte – das Weihnachtsgeschäft 2017 veranlasst die Händler wieder einmal, sich Gedanken um ihre (bessere) Präsenz im Web zu machen. In seinem Gastbeitrag warnt Frank Rehme vor Schnellschüssen und rät, die Ressourcen überlegt einzusetzen.

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Frank Rehme,Innovator, Entrepreneur und Morgenmacher; Mitgründer und Autor von www.zukunftdeseinkaufens.de © Frank Rehme

 

Sie schießen wie Pilze aus dem Boden: die Anbieter von lokalen Marktplätzen, die kleine und mittlere Händler ins Internet-Business boosten sollen. Überall schlagen derzeit Start-ups auf, die mit mehr oder weniger originellen Namen den „digital zurückgebliebenen stationären Händlern“ den Weg in die digitale Welt aufzeigen und eine Antwort auf Amazon & Co. sein sollen. Mit viel Investorengeld im Rücken werden dann Portale auf die Beine gestellt, die den kleinen Händlern ein Stück Webshop zur Verfügung stellen.

Die Komplexität wird oft verniedlicht

Im Laufe der Projekte kommt dann schnell die Ernüchterung: Wer besorgt den Content? Halbwegs brauchbare freigestellte Produktbilder, rechtlich einwandfreie Artikelbeschreibungen und -angaben sind in der Erstellung sehr aufwändig. Noch komplexer ist die Echtzeit-Bestandsführung, da die Durchdringung mit Warenwirtschaftssystemen nicht wirklich tief ist. Ein Webshop, in dem Artikel angezeigt werden, die in Wahrheit nicht lieferbar sind, wird garantiert nur einmal besucht. Ebenso ist man nachher erschreckt, wie viel Aufwand man mit der Aktualisierung der Daten hat. Jeder, der jemals an einem eCommerce Projekt beteiligt war weiß, dass hier der Hauptteil der Arbeit liegt.

Zu guter Letzt kommt noch die Logistik: Beim Thema Same Day Delivery haben sich schon Viele die Zähne ausgebissen. In den Start-ups funktioniert das anfangs sogar, weil man das „eben noch einmal mitmacht“ und 450-€-Kräfte einsetzt. Frei nach dem Motto „das können Pizzerien seit 20 Jahren“ merkt man spätestens in der Skalierungsphase, dass es eben immer nur eine Pizzeria ist, die das kann und in der Regel nicht eine ganze Kette. Den entscheidenden Touchpoint zum Kunden sollte man nicht mit reinen Aushilfskräften abdecken.

Der richtige Zeitpunkt zum Umdenken

Die Aufwände dafür werden also sehr oft unterschätzt, zudem wird meistens eine Frage nicht gestellt: Warum macht man das überhaupt? Weil alle einen Webshop haben? Oder folgt man nur einem Trend, um gleicher unter Gleichen zu sein? Was aber in jedem Fall passiert: Man lenkt sich selbst von der Weiterentwicklung seines stationären Formates ab. Gerade in Zeiten der notwendigen Retail-Transformation kann sich das schnell rächen.

Häufig kommt die Initiative auch von der Wirtschaftsförderung der Städte, die z. B. versuchen, über den Handel eine nicht gerade hochfrequentierte Stadt-App mit interessantem Zusatznutzen zu versehen. Ein sauberer Business Case mit Marktgrößenanalyse oder ein sauberes Kundennutzenversprechen wird oft in die zweite Reihe verbannt.

Unterm Strich kristallisiert sich eines heraus: eCommerce für kleine Händler ist nichts anderes als die Linearisierung des bisherigen Geschäftes, eben neue Kundengruppen für sein Format zu begeistern. Diese Aktivitäten lenken wunderbar von der zukünftig neuen Aufgabe des stationären Handels ab: Freizeitangebot statt Versorger zu sein. Der Handel als soziales Netzwerk, das Menschen Freizeitwert bietet und durch Inspiration und Erlebnis glänzt. Anstatt sich um genau diese Themen zu kümmern, verliert man sich in Bereichen, in dem die Claims bereits abgesteckt sind. Vielmehr macht es Sinn, durch eine neue Art der Selbsterfindung seine individuelle Lücke zu entdecken – darum geht es!

Seien wir doch mal ehrlich: Selbst die noch so hübsche Start-up-Plattform schafft es nur schwer, in das „Relevant Set“ der Webshops von potenziellen Kunden zu kommen. Der Durchschnittsnutzer hat ca. zehn Webshops, darunter sicherlich Amazon, eBay und Zalando, in denen er regelmäßig einkauft. Es wird allerdings schwierig, mit einer lokalen Plattform genau dort eindringen zu können.

Eines muss jeder Händler sich verdeutlichen: Der lokale Webshop sorgt maximal dafür, dass man dem virtuellen Wettbewerb lediglich hinterherrennt. Ob man das Tempo, das die vorlegen, letztendlich halten kann oder überhaupt erreicht, halte ich für mehr als fraglich.

Was ist der richtige Weg?

Das weiß sicherlich keiner, aber man kann ja aus den bisherigen Projekten lernen. Andreas Brill von Business 4 Brand hat es anlässlich des eCommerce Tages in Wuppertal auf den Punkt gebracht: Viele Händler tappen in die Multi-Channel-Falle, aufgezeigt hat er es am Beispiel der Musikindustrie.

Die aus dieser Gesamterkenntnis resultierende Aufgabe steht fest und lässt sich in drei Aufgaben unterteilen:

 • Händler, verschaffe dir qualifiziert ein Gesicht im virtuellen Raum. Zeige dem Internet-Surfer, dass es sich lohnt, bei dir vorbeizukommen.

 • Unterstütze den RoPo-Prozess. Dein Sortiment und die Verfügbarkeit muss sichtbar sein, aber ohne die vorher beschriebenen Aufwände.

 • Wenn du doch im Web verkaufen willst: Nutze den, der eine Plattform hat, die jeder kennt und der alle, aber auch alle Prozesse im Griff hat.

Klingt doch ganz einfach, oder? Es lohnt sich in jedem Fall, diese Strategie zu verfolgen und weiter zu entwickeln. Es bleibt aber weiterhin spannend.