18.11.24 – Gastbeitrag

Maßnahmen gegen das Ladensterben

Der stationäre Einzelhandel ist traditionell eine tragende Säule der hiesigen Innenstädte, gerät aber zunehmend in Schieflage. Unser Gastautor Frederik Reim, Country Lead DACH von Faire, erklärt, was geschehen muss, um ihn zu retten.

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Um Innenstädte lebendig zu halten, ist der Erhalt des stationären Einzelhandels entscheidend. © stock.adobe.com/garpinina

 
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Frederik Reim © Faire

 

Der stationäre Einzelhandel prägt nicht nur das individuelle Stadtbild, sondern trägt maßgeblich zur Lebensqualität und Attraktivität urbaner Zentren bei – so sehen es auch 53 % der Befragten der Umfrage von Faire in Zusammenarbeit mit YouGov, die im Juli 2024 veröffentlicht wurde. Doch immer mehr Einzelhändler sehen sich mit wirtschaftlichen Herausforderungen, u. a. sinkenden Umsätzen und dem zunehmenden Wettbewerb durch große internationale E-Commerce-Marktplätze konfrontiert. Laut Handelsverband Deutschland (HDE) könnte das Jahr 2024 für bis zu 5000 Einzelhändler das Ende ihrer Geschäftstätigkeit bedeuten. Das Ladensterben führt jedoch nicht nur zu einem Verlust an Arbeitsplätzen, sondern bedroht auch die Vielfalt sowie das soziale Gefüge in den Städten.

Um diesen Prozess aufzuhalten, sind umfassende Maßnahmen gefragt. Ein gemeinsames Handeln aller Beteiligten ist notwendig – von der öffentlichen Hand über Verbände und Großhändler bis hin zu Finanzinstitutionen. Die folgenden Ansätze können dazu beitragen, den entscheidenden Unterschied machen.

Alternative Finanzhilfen und Förderung durch Städte und Gemeinden

Potenzielle Neugründer sehen sich häufig mit wirtschaftlichen Unsicherheiten und unzureichenden Finanzierungsoptionen konfrontiert, was viele davon abhält, ihren Traum vom eigenen Geschäft zu verwirklichen. So träumt laut der repräsentativen Umfrage von Faire zwar jeder Sechste der Befragten von einem eigenen Geschäft, doch 42 % von ihnen fehlt das notwendige Kapital. Zudem schrecken 27 % aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheiten vor der Umsetzung ihres Traums zurück. Hier sind an erster Stelle Städte und Gemeinden gefordert, durch gezielte Förderprogramme und Entlastungsmaßnahmen Abhilfe zu schaffen. Steuerliche Vergünstigungen, wie reduzierte Gewerbesteuersätze für kleine und mittelständische Unternehmen, könnten dazu beitragen, den Druck auf Einzelhändler zu mindern. Zudem sollten Kommunen verstärkt auf Fördermittelprogramme für Neugründungen und Modernisierungen setzen, um den stationären Handel zu revitalisieren.

Förderung von innovativen Geschäftsmodellen und Konzepten

Ein wichtiger Schritt zur Rettung des stationären Einzelhandels ist die Anpassung an moderne Konsumgewohnheiten. Der traditionelle Einzelhandel muss sich weiterentwickeln, um gegen die wachsende Konkurrenz durch große Ketten, die online schnellen und kostenlosen Versand anbieten, bestehen zu können. Eine Möglichkeit besteht in der Einführung neuartiger, innovativer Ladenkonzepte wie Concept-Stores oder Pop-up-Shops, die ein einzigartiges Einkaufserlebnis bieten und damit besonders jüngere Zielgruppen ansprechen.

Der Einzelhandel muss sich von rein funktionalen Verkaufsräumen hin zu Erlebniswelten entwickeln. Dabei spielen soziale Aspekte eine immer größere Rolle: Einzelhändler sollten ihre Läden zu Orten machen, an denen Menschen sich wohlfühlen, inspiriert werden und mehr als nur Produkte konsumieren können. Beispielsweise können Einzelhändler Workshops und Veranstaltungen organisieren, um den Austausch zu fördern und Verbindungen auszubauen. Städte könnten diese Entwicklung fördern, indem sie flexible Nutzungskonzepte für Ladenflächen schaffen.

Kooperation zwischen Großhändlern und Einzelhändlern

Großhändler sind als Lieferanten für den stationären Handel ein wesentlicher Teil der Wertschöpfungskette. Moderne digitale Großhandelsplattformen können den Einzelhandel aktiv unterstützen, indem sie innovative Lösungen bieten, die weit über das traditionelle Geschäftsmodell hinausgehen. Sie erleichtern den Zugang zu neuen Märkten und Produkten und geben den Händlern gleichzeitig analytische und strategische Werkzeuge zur Verkaufssteigerung an die Hand, um die bestmögliche Produktauswahl zu treffen und ihren Bestand effizient zu verwalten. Weitere Lösungen, die den Handel wettbewerbs- und zukunftsfähiger machen, sind flexiblere Zahlungsbedingungen, Schulungsprogramme für Einzelhändler oder auch die Bereitstellung von E-Commerce-Lösungen zur Ergänzung des stationären Geschäfts.

Fest steht: Die Rettung des stationären Einzelhandels erfordert ein Zusammenspiel vieler Akteure. Die Einzelhandelsbranche in Deutschland steht zweifellos vor schwierigen Zeiten und staatliche Unterstützung ist entscheidend, um dem Sektor neues Leben einzuhauchen und angehende Unternehmer zu motivieren. Doch diese Herausforderung eröffnet auch die Möglichkeit für bestehende Einzelhändler, eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Zukunft einzunehmen. Unabhängige Einzelhändler verstehen durch ihre enge Verbindung zu den Kunden wirklich, was die Menschen wollen und brauchen. Durch die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften und den Behörden vor Ort kann so eine lebendige Einzelhandelslandschaft geschaffen werden, die nicht nur unsere Innenstädte revitalisiert, sondern auch Innovation hervorruft und Begeisterung entfacht. Nur durch gemeinsame Anstrengung wird es gelingen, das Ladensterben zu stoppen und die Innenstädte wiederzubeleben.