07.02.24 – Interview mit Anne Liesenfeld, Projektmanagerin beim IFH Köln
„Nehmen Sie ihre bisherigen Arbeitsbedingungen unter die Lupe“
Anne Liesenfeld ist Projektmanagerin beim IFH Köln und hat an der Studie „Hire me if you can“ mitgewirkt. Im Gespräch mit das spielzeug erzählt sie, was Handelsunternehmen tun können, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.
das spielzeug: Inwieweit ist der Handel vom Fachkräftemangel betroffen?
Anne Liesenfeld: Die Entwicklungen in den letzten Jahren zeigen deutlich, dass der Handel, wie auch viele andere Branchen, vom Fachkräftemangel betroffen ist und teils enorme Auswirkungen verspürt. In unserer ECC CLUB Studie „Hire me if you can“ gaben im Frühjahr 2023 87 % der Großhändler an, dass sie vom Fachkräftemangel betroffen sind, gefolgt von Einzelhändlern mit 74 %. Knapp die Hälfte der Einzel- und Großhändler bemängelt vor allem die unbesetzten Stellen über längere Zeiträume, und damit zusammenhängend: das Aufkommen von Überstunden bei vorhandenem Personal. Dies hat zur Folge, dass es in einigen Fällen zu längeren Lieferzeiten kommt und weniger digitale Marketingaktivitäten im Unternehmen stattfinden.
das spielzeug: Welche weiteren Auswirkungen hat der Mangel auf die vorhandene Belegschaft?
Anne Liesenfeld: Wir haben uns für unsere Studie insbesondere auf Angestellte fokussiert, die in Bereichen arbeiten, welche digitale Kompetenzen benötigen. Die Hälfte dieser sogenannten „digitalen Talente“ wird täglich mit dem Mangel an Fachkräften konfrontiert. Über 40 % übernehmen andere Aufgaben, haben mehr Überstunden oder eignen sich neue Kompetenzen an, um mit den aktuellen Herausforderungen umgehen zu können. Unzufriedenheit und Frust in der Belegschaft sind die Folgen und schlagen in eine hohe Wechselbereitschaft um – insbesondere bei jüngeren Arbeitnehmenden.
das spielzeug: Was können Unternehmen tun, um dem Fachkräftemangel zu begegnen?
Anne Liesenfeld: Unternehmen sollten attraktive Arbeitsbedingungen und Arbeitsmodelle schaffen, um Personal zu finden, zu halten und langfristig zu binden. Die wichtigsten Aspekte sind dabei ein faires Gehalt, die Anzahl der Urlaubstage sowie das passende Team und der Führungsstil der Vorgesetzten. Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit, -ort und -platz hat in den letzten Jahren deutlich an Relevanz gewonnen. Verschiedene Arbeitsmodelle wie beispielsweise das Arbeiten aus dem Ausland oder das Teilen einer Vollzeitstelle mit Kolleg:innen werden oft in Erwägung gezogen und sollten daher mit den Mitarbeitenden offen besprochen werden. Für Arbeitgeber gilt also: Nehmen Sie ihre bisherigen Arbeitsbedingungen und Modelle unter die Lupe und passen Sie diese nach Möglichkeit an.
das spielzeug: Wie findet man heutzutage geeignetes Personal?
Anne Liesenfeld: In der heutigen Zeit haben Unternehmen die Aufgabe, sich bei den potenziellen Bewerber:innen zu bewerben und nicht mehr umgekehrt. Dabei ist es wichtig, die eigene Arbeitgebermarke zu kennen und diese nach außen zielgruppengerecht zu platzieren. Wofür steht Ihr Unternehmen? Welche Ziele und Visionen verfolgen Sie? Welche Aufstiegsmöglichkeiten haben Mitarbeitende in Ihrem Unternehmen und welche Benefits bieten Sie an? Diese und weitere Informationen sind wichtig, um sich attraktiv und authentisch auf dem Arbeitsmarkt zu zeigen. Dabei eignen sich besonders gut Kurzvideos, die auf die Unternehmenshomepage gestellt und über Social-Media-Kanäle verbreitet werden können. Auch der Einsatz von Corporate Influencern (Mitarbeitende aus ihrem Unternehmen, die für Ihr Unternehmen auf Social Media werben) hat sich als erfolgversprechend herausgestellt. Ein schneller Bewerbungsprozess für Kandidat:innen, z.B. „Bewerbung ohne Anschreiben“ steigert die Anzahl der Bewerbungen. Und dann geht es um Schnelligkeit! Lange Antwortzeiten nach Bewerbungseingang werden bei den Kandidat:innen abgestraft und sollten vermieden werden.
Weitere Informationen zum Thema Fachkräftemangel finden Sie in der ECC CLUB Studie: Hire me, if you can – Mitarbeitende erfolgreich werben, halten und binden!