01.04.14 – Fachhandel
Das Kind ist König
«Wir sehen die Welt mit Kinderaugen» – unter diesem Motto verkauft das Traditionshaus «Ramershoven Groß- und Einzelhandel» seit über 100 Jahren abwechslungsreiche Produkte für Mädchen und Jungen.
Im Mittelpunkt stehen dabei immer die Interessen und die Bedürfnisse des Nachwuchses.
Das 1905 gegründete Unternehmen, das bis heute in Familienbesitz ist, befindet sich in der rheinland-pfälzischen Stadt Mayen am Marktplatz in der Innenstadt und somit direkt in der Fußgängerzone. Aktuell wird es in der vierten Generation von Daniel F. Ramershoven geführt. Der Unternehmer, der neben Spielwaren auch Inneneinrichtung, Haushaltswaren, Design und einen Gastronomiegroßhandel betreibt, ist quasi in den Geschäftsräumen aufgewachsen. Für ihn stand bereits seit seiner Kindheit fest, dass er eines Tages in die Fußstapfen seiner Vorfahren treten wird. «Nach der Schule ging es für mich immer direkt ins Geschäft. Ich fungierte, auf eine Art Hochstuhl gesetzt, wie ein kleiner Detektiv, der den Überblick hatte und demnach darauf aufpasste, was im Geschäft ablief und darauf achtete, dass nichts gestohlen wurde» erzählt er schmunzelnd. Zudem fügt er hinzu, dass ihn seine Mitschüler immer beneidet haben, da er ja täglich mit den aktuellsten Spielwaren umgeben war.
Behutsame Produktwahl
Nach einer kaufmännischen Ausbildung und einem BWL-Studium bietet der Inhaber heute auf einer Verkaufsfläche von 230 m2, verteilt auf zwei Stockwerken, ein breitgefächertes Sortiment für Jung und Alt – neben diversen Spielwaren auch Bücher, Schreibwaren, Schulranzen und Bastelartikel.
«Wir versuchen uns stets in die Sichtweise der Kinder hineinzuversetzen und zu verstehen, was ihnen Spaß und Freude bereitet.»
Zudem nehmen die Bereiche Modellbau und Karneval einen großen Stellenwert ein. Dabei sind die Themen Jungen und Mädchen stets ganz klassisch getrennt. Während sich in der oberen Etage beratungsintensive Produkte wie Gesellschaftsspiele und Frequenzbringer, u.a. Multimedia- oder Lego-Artikel befinden, werden im Erdgeschoss eher Trendthemen, sowie Baby- und Kleinkindartikel angeboten. Um die räumlichen Gegebenheiten optimal nutzen zu können, sind die Regale bis unter die Decke gezogen, aber immer thematisch zusammen gruppiert. Jeweils in der Mitte sind Themeninseln angeordnet, auf denen verschiedene Neuheiten oder Saisonartikel in Szene gesetzt werden.
Bei der Auswahl der Produkte, die es ins Sortiment schaffen, überlässt der Chef nichts dem Zufall: «Wir versuchen uns stets in die Sichtweise der Kinder hineinzuversetzen und zu verstehen, was ihnen Spaß und Freude bereitet. Hierbei achten wir darauf, dass die Spielwaren immer auch einen gewissen pädagogischen Anspruch erfüllen. Sprich: Wir kaufen keine so genannten ‘Junk-Toys‘ ein, die nicht mit dem Wohle des Kindes vereinbar sind.» Auf Wunsch des Kunden bestellt man jedoch auch diese Ware, die man eigentlich nicht führt. Auf Lizenzartikel wird ebenfalls nicht verzichtet, da diese von den Endverbrauchern häufig nachgefragt werden. Ein wichtiges Kriterium bei der Sortimentszusammenstellung ist für Daniel F. Ramershoven auch, dass es die Produkte möglichst nur im Fachhandel und nicht online zu erwerben gibt. Zudem achtet der Inhaber darauf, dass er mit speziellen Produkten ein Alleinstellungsmerkmal besitzt, d.h., dass er Artikel führt, die im näheren Umfeld kein anderer Händler anbietet. «Ich kaufe sehr gerne bei Coppenrath ein, da dieses Unternehmen manche Sortimentsbausteine nur an ein Geschäft pro Standort liefert, was uns eine gewisse Exklusivität verschafft», berichtet Ramershoven, der Mitglied in der Prüfungskommission IHK-Spielwaren ist.
Mit Synergie-Effekten punkten
Neben der 1A-Lage hat der Spielwarenladen noch weitere Erfolgsgeheimnisse. Besonders stolz ist der Inhaber darauf, dass es sich bei seinem Unternehmen um ein «Geschäft der Kinder» handelt. Das bedeutet, dass die Jungen und Mädchen hier alles anschauen, anfassen und ausprobieren dürfen. «Bei uns hat der Nachwuchs das Sagen, nicht die Eltern», erklärt Ramershoven. Mit verantwortlich für den Erfolg ist der Faktor, dass man eigenfinanziert ist. Zudem hat man sich im Laufe der Jahrzehnte einen guten Namen gemacht, von dem man in jeder Hinsicht profitiert. «‘Ramershoven Spielwaren‘ hat einen gewissen Kultstatus erreicht. Jeder Erwachsene aus der Gegend kann garantiert eine oder mehrere Stories aus seiner Kindheit erzählen, die er bei uns erlebt hat», berichtet der Chef stolz. Um die Frequenz am Standort zu erhöhen, nutzt man die Synergie-Effekte, welche man durch die zweite Filiale und entsprechende Cross-Over-Aktionen erzielt. So veranstaltet man hier regelmäßig Aktionen, bei denen man die Kunden von der einen zur anderen Filiale «schickt». So dürfen die Kids z.B. an einem Playmobil-Glücksrad drehen und sich ihren Gewinn im wenige Meter entfernten Spielwarenladen abholen.
Um Kundengewinnung geht es auch bei der Schaufenstergestaltung, der man eine große Bedeutung einräumt. So dekoriert das Team, das aktuell aus 18 Mitarbeitern besteht, diese nach aktuellen Anlässen, wie z. B. Karneval, Ostern, Halloween, Weihnachten oder Silvester regelmäßig neu. Während das rechte Schaufenster, welches etwa 5 m groß ist, die Jungs ansprechen soll, werden im linken Artikel für die Mädchen in Szene gesetzt. Ebenfalls auf sich aufmerksam macht man mit diversen Werbemaßnahmen, wie der Prospekt- und Flyerstreuung, durch PR-Artikel, Außenbanner oder mit Mund-zu-Mund-Propaganda.
Neuheiten auf der Spur
Um Neuheiten ausfindig zu machen bzw. um zu erfahren, wohin der Trend im Spiel- und Schreibwarenbereich geht, fährt Daniel F. Ramershoven zusammen mit seinem Vater Alfred und seinem langjährigen Angestellten Lothar Schweitzer für jeweils vier Tage auf die Spielwarenmesse nach Nürnberg. Der erste Tag ist stets den Big Playern der Branche gewidmet. «Die Großen, wie Lego, Hasbro, Mattel und Playmobil, geben Jahr für Jahr den Trend vor. Zudem erfährt man hier, welche neuen Lizenzen und Filme es gibt», erläutert Seniorchef Alfred Ramershoven, der bereits seit 65 Jahren auf die Weltleitmesse fährt, die Vorgehensweise. Die anderen Tage besucht man dann überwiegend die kleineren Hersteller, von denen man sich die Neuheiten und Highlight-Artikel zeigen lässt. Hier sind die Geschäftsmänner auch stets auf der Suche nach interessanten Artikeln, die weniger im Fokus stehen und somit attraktivere Margen versprechen. Neben den Innovationen steht auch stets die Kontaktpflege mit Lieferanten im Mittelpunkt des Aufenthalts.
Die Haupterwartung in diesem Jahr lag darin, von der Industrie einen gewissen Preis- bzw. Vertriebsschutz zu erfahren, um sich gegen die «Kannibalisierung im Internet» zu schützen. «Zarte Bemühungen konnten hier von uns vernommen werden, aber eigentlich wurden diese Erwartungen enttäuscht. Da wir in anderen Branchen ebenfalls am Markt tätig sind, wissen wir durchaus, dass die Händlerschaft geschützt werden kann, wenn es von der Industrie gewollt ist», erläutert Daniel F. Ramershoven.
Immer am Ball bleiben
Um mit der Zeit zu gehen und um neue Umsatzfelder zu erschließen, entschloss man sich im Jahre 2004 parallel zum stationären Geschäft ebenfalls ins World Wide Web zu gehen. Mit dessen Entwicklung ist der Geschäftsführer allerdings aktuell nicht sehr zufrieden: «Der Markt ist vollkommen überfüllt und somit werden die Margen ins Bodenlose gedrückt. Infolgedessen lassen sich die hohen Kostenfaktoren nicht finanzieren. Viele Marktteilnehmer können hier scheinbar nicht richtig rechnen.» Trotz alledem werde man am Online-Shop weiter festhalten, da der Trend zum Kauf im Netz nahezu ungebrochen scheint.
«Die Spielware degradiert immer mehr zu einem Produkt und weniger zum Spiel- bzw. Kulturgut.»
Für das laufende Jahr hat sich der Inhaber viel vorgenommen. Da die letzte räumliche Veränderung bereits zwölf Jahre zurückliegt, steht nun eine Umgestaltung der Verkaufsräume auf der Agenda: «Auf der einen Seite möchten wir die Räumlichkeiten natürlich modernisieren und damit ein zeitgemäßeres Auftreten gewährleisten», erläutert der Handelsbetriebswirt die geplanten Umbaumaßnahmen. Der Hauptgrund sei aber der, dass die Flächen neu verteilt werden und diese mit Randsortimenten, welche nicht im Preisfokus des Internets oder von Großkonzernen stehen, befüllt werden. Hier läge die Ausrichtung ganz klar bei den Lieferanten, bei denen Marge, Umschlag und insbesondere Preisstabilität im Vordergrund stehen. Die Tatsache, dass man den «Großen» weniger Platz einräumen wolle, komme der Buch- und Bastelabteilung zugute, die man weiter ausbauen möchte.
Auch der Spielwarenmarkt im Allgemeinen steht laut Ramershoven vor einem Wandel: «Ich glaube, dass die Branche etwas an Herzlichkeit verlieren wird, da die Fachhandelsquellen versiegen und durch den vermehrten Vertrieb über Lebensmittel- und Internethandel Spielware immer mehr einfach zu einem Artikel degradiert wird und weniger zum Spiel- bzw. Kulturgut.» Wie er weiter betont, werden sich auch die Vertriebsformen ändern, z.B. vom Direktvertrieb des Herstellers zum Endkunden. Die Zukunft bleibe laut Ramershoven kritisch abzuwarten. Sollte sich die Marktsituation zukünftig nicht deutlich verbessern und das gesamte Sortiment weiterhin zu Schleuderpreisen im Internet feilgeboten werden, liegen bereits konkrete Pläne für einen Branchenwechsel in der Schublade.