02.09.16 – Umfrage im Handel zum neuen Ausbildungsjahr

Gute Azubis, schlechte Azubis?

Die Einzelhandelsunternehmen in Deutschland steigern ihr Angebot an Ausbildungsstellen in diesem Jahr weiter – so eine aktuelle Aussage des HDE.

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Elke Brunne und Matthias Grudzenski

 
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Christian Bökenkamp

 
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Wir haben bei drei Fachhändlern nachgefragt, ob sie derzeit verstärkt ausbilden und welche Erfahrungen sie mit Azubis gemacht haben.

Elke Brunne (Geschäftsleitung) und Ausbildungsleiter Matthias Grudzenski (Spiel und Spass, ARS, Vedes Point und Happy People), „MuKK“, Münster: „Wir haben eine lange Ausbildungstradition und bieten Ausbildungsplätze für Verkäufer, Einzelhandelskaufleute und Bürokaufleute an. Momentan haben wir sechs Auszubildende. Die Azubis kommen aus teils völlig unterschiedlichen Lebenssituationen. Einige fangen direkt nach der Schule bei uns an, andere sind Studienabbrecher, wieder andere waren bei uns vorher bereits als Aushilfe beschäftigt.

Durch persönliche Einschränkungen (physisch und psychisch), Lernschwächen oder Defizite in der persönlichen Reife tun sich bei jungen Menschen oft Schwierigkeiten auf, den Anforderungen einer Ausbilung gerecht zu werden. Dennoch ist die Entwicklung der Auszubildenden meist sehr positiv. Bisher haben alle von uns die Abschlussprüfung erfolgreich abgelegt. Einige haben sich besonders hervorgetan, sodass sie nicht nur übernommen worden sind, sondern heute sogar Schlüsselposition in unserem Unternehmen besetzen.

Wir geben Bewerbern, bei denen wir Potenzial sehen, eine Chance – auch wenn deren Schulnoten oder andere Voraussetzungen nicht optimal sind. Wenn die Azubis dann nach erfolgreicher Prüfung als charakterlich gereifter Mensch dazu qualifiziert sind, im Berufsleben zu bestehen und sich ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, haben wir unser Hauptziel erreicht. Wir versuchen alles, um ihnen das nötige Rüstzeug für ihr weiteres Berufsleben mitzugeben.“

Christian Bökenkamp (EK/servicegroup-Mitglied), „Fa. D. Bökenkamp“, Bielefeld: „Es wird immer schwieriger, die passenden Leute zu finden. Vielen fehlt es an Rechtschreibung und Artikulation sowie an gutem Benehmen. Dennoch sehe ich selbst sehr positive Effekte darin, einen Auszubildenden einzustellen und auszubilden. In diesem Jahr ist meine ehemalige Azubine schwanger geworden und ich musste Ersatz finden. Die Suche nach geeigneten Mitarbeitern erwies sich als sehr kompliziert.

Dennoch hatten wir Glück, ein ‚Juwel’ zu finden, das in der Ausbildung jetzt noch den Feinschliff erhält.Mit Azubis habe ich bisher sehr positive Erfahrungen gemacht. Es ist für mich immer wieder ein tolles Erlebnis zu sehen, wie sich Menschen weiterentwickeln. Mich freut es, wenn Beigebrachtes im Alltag umgesetzt wird und Tipps für Verkaufsgespräche oder Vertretergespräche zum Erfolg führen. Gleichzeitig ist es auch eine tolle Herausforderung, junge Menschen für den Beruf des/r Einzelhandelskaufmanns/-frau zu begeistern. Bei der Ausbildung lege ich großen Wert auf fachliche Kompetenz, den Umgang mit Kunden und Kollegen sowie Teamfähigkeit.“

Christian Krömer (Idee+Spiel-Mitglied), „Spielwaren Krömer“, Schrobenhausen: „Wir bilden seit Jahren jedes Jahr mehrere Auszubildende aus, da wir uns unsere Fachkräfte gerne selbst ‚heranziehen und formen’. Aktuell haben wir vier Azubis im Betrieb – In der Spitze hatten wir mal sieben. Da wir unsere Lehrlinge in der Regel versuchen zu übernehmen und auch nur solche einstellen, bei denen auch eine Aussicht auf Übernahme besteht, schwankt diese Zahl immer. Mit Azubis macht man immer gemischte Erfahrungen. Man begleitet junge Menschen beim Erwachsenwerden und bei der Umstellung von der Schule zum Beruf. Hier kann nicht immer alles glatt laufen und es ist normal, dass es auch mal zu schwierigen Situationen und gelegentlich zu Problemen kommen kann.

Auf der anderen Seite macht es eine unglaubliche Freude, wenn man die Entwicklung sieht und später dann bei sich selbst ausgebildete Fachkräfte in verantwortungsvolle Positionen unterbringen kann.Wir legen bei der Ausbildung grundsätzlich großen Wert darauf, dass Azubis schon sehr früh verantwortungsvolle Aufgaben übertragen bekommen und sich in der Firma einbringen können. Außerdem ist es uns wichtig, dass sie alle Abteilungen in unserem Unternehmen durchlaufen und nach ihrer Lehre wirklich fit in ihrem Beruf sind.“

Handelsberufe erneut vorne

Die Kernberufe des Einzelhandels gehörten auch im vergangenen Jahr wieder zu den häufigsten Ausbildungsgängen – das zeigen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Mit 30.474 abgeschlossenen Ausbildungsverträgen liegt der Beruf Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel ganz vorne. Auf dem dritten Platz befinden sich die Verkäuferinnen. Allerdings wurden im Vergleich zu 2014 gut 2 % weniger Verträge abgeschlossen.

HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth fordert, dass die guten Karrierechancen im Handel deutlicher herausgestellt werden. Einen Attraktivitätsschub erwartet der HDE von einer Modernisierung der bestehenden Einzelhandelsberufe sowie dem für August 2018 geplanten neuen Ausbildungsberuf Kaufmann/Kauffrau im E-Commerce. Dieser soll zudem durch den Fortbildungsberuf Fachwirt/in für E-Commerce ergänzt werden.