01.03.14 – Emotional und digital

Was Kunden wünschen

«Emotional und digital – Handelskonzepte mit Zukunft» so lautete das Thema, das Michael Gerling, Geschäftsführer des Kölner EHI Retail Institutes auf dem Toy Business Forum während der Spielwarenmesse vorstellte.

In seinem Gastkommentar greift er wesentliche Punkte aus seinem Vortrag heraus.

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Gibt Tipps für den Spielwarenhandel der Zukunft: Geschäftsführer Michael Gerling vom EHI Retail Institute.

 

Das größte Zukunftsthema für den Handel ist sicherlich der Online-Handel – eine Veränderung in der Branche, die wir in dieser Dimension seit Einführung der Selbstbedienung, in Deutschland war das im Jahr 1938, nicht mehr erlebt haben.

Was sich Ende der 90er Jahre zunächst noch als Strohfeuer entpuppte, ist nun doch weltweit zu einer festen Größe im Handel geworden. Überall auf der Welt steigt der Anteil des Online-Umsatzes stark an, zweistellige Wachstumsraten sind üblich und in den Volkswirtschaften mit geringem Wachstum des gesamten Handelsmarktes liegen die Marktanteile des Online-Handels insgesamt mehr oder weniger bei 10%.

In Deutschland erwirtschafteten die 1000 größten Online-Shops im Jahr 2012 einen Netto-Umsatz von 29,5 Mrd. EUR. Das entspricht einem Wachstum von 16,1% gegenüber 2011, nachdem der Markt in den zwei Jahren zuvor jeweils um 12% gewachsen war. Es geht aber nicht nur um Verkauf über das Internet, die Zukunft des Einzelhandels wird auch in anderen Bereichen maßgeblich durch das Internet geprägt. Die Menschen sind schon heute permanent online und ihr Kommunikations- und Einkaufsverhalten hat sich dadurch erheblich geändert.

Die Kommunikation mit den Kunden wird sich wandeln und immer stärker durch verschiedene Formen des Online-Marketing geprägt. Verkaufsprozesse und rückwärtige Abläufe werden anders gestaltet, Technik wird die Menschen in den Geschäften noch stärker unterstützen und Betriebsabläufe werden effizienter gestaltet.

Die Auswertung von sozialen Online-Medien wird dabei eine neue Disziplin im Einzelhandel. Hier lässt sich wertvolles Wissen gewinnen, so zum Beispiel für die Sortimentsgestaltung oder für die Verkaufsprozesse.

Spielwaren und Social Media

Von dieser Entwicklung ist speziell der Spielwarenhandel betroffen, da sich dessen Produkte besonders gut für den Verkauf über das Internet eignen. Der Marktanteil des Online-Handels ist daher in der Spielwarenbranche auch besonders hoch – etwa dreimal so hoch wie im Durchschnitt aller Branchen. Es ist davon auszugehen, dass gut ein Viertel alle Spielwarenumsätze über das Internet abgewickelt werden und die Wachstumsraten sind weiter hoch.

Auch die sozialen Medien dürften in dieser Branche von großer Bedeutung sein. Die Zahl der Foren für junge Familien ist enorm hoch und der Austausch über Spielwaren gehört hier genauso zum Chatprogramm wie die vielen Krankheitsgeschichten. Neutrale Kundenbewertungen sind zum Beispiel bei vielen Produkten ausgesprochen wichtig und sie dürfen nicht nur den virtuellen Geschäft vorbehalten bleiben. Hier müssen die Errungenschaften des Online-Handels auch in den stationären Geschäften des Handels Einzug halten.

Zusätzliche Anreize schaffen

Welche Handelskonzepte aber haben noch künftig eine Chance? Das sich rapide verändernde Einkaufsverhalten der Verbraucher und die zunehmende Bedeutung des Online-Kanals haben auf die Gestaltung von Verkaufsflächen immense Auswirkungen. Der Verbraucher von morgen braucht zusätzliche Anreize, ein Geschäft zu betreten und dort auch einzukaufen.

In vielen Branchen wird der Inszenierung des Ladens daher eine immer größere Bedeutung zukommen, das gilt für den Spielwarenhandel ganz besonders. Gleichzeitig werden Service, Beratung und der persönliche Kontakt zum Kunden wesentliche Unterscheidungsmerkmale zum reinen Online-Kauf. Die Integration von Technologie in die Ladengestaltung z.B. in Form von virtuellen Spielflächen und der Einsatz mobiler Technologien wie Ipads zur Verkaufsunterstützung spielen dabei eine wichtige Rolle. Menschen, die etwas vorlesen oder vorführen sind besonders wichtig. Sie bringen etwas ins Geschäft, was das Internet nicht bieten kann.

Steigender Investitionsbedarf

All diese Faktoren sind bereits heute an den Investitionen der Branche ablesbar. Das Investitionsniveau im stationären Handel ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen und inzwischen auf einem Rekordniveau angekommen. Rund 6,8 Mrd. EUR wird der Einzelhandel im Jahr 2013 in Deutschland in den Aus-, Um- und Neubau von Geschäften investieren, das sind 700 Mio. EUR mehr als im Jahr 2009. Allein für die Einrichtung neuer Geschäfte investieren die Handelsunternehmen in diesem Jahr rund 1,75 Mrd. EUR, und damit 350 Mio. EUR mehr als im Vergleichsjahr 2009 (+25%). Auf den Nonfood-Handel entfallen Ausgaben in Höhe von 950 Mio. EUR (+ 17,1% zu 2009), auf den Lebensmittelhandel rund 800 Mio. EUR (+ 37% zu 2009). Branchenübergreifend stellen rund 50 % der Handelsunternehmen im Vergleich zu 2009 einen gestiegenen Investitionsbedarf je Geschäft fest. Die Einrichtungskosten pro Quadratmeter sind in fast allen Branchen seit 2009 erheblich gestiegen.

Auch die Renovierungszyklen der Geschäfte haben sich im Durchschnitt aller Branchen von neun Jahren auf 7,8 Jahre verkürzt. Je nach Branche beträgt die Beschleunigung der Renovierungszyklen zwischen 10 und 15%. Im Wettbewerb mit den neuen Anbietern im Internet werden die Verkaufsflächen deutlich aufgewertet und die dafür notwendigen Mittel steigen zur Freude der Anbieter von Ladeneinrichtung.

Der Kunde von morgen erwartet bei vielen Sortimenten, den Einkaufskanal frei bestimmen zu können – die Grenzen zwischen stationärem Geschäft, Web und Mobile verschwimmen zunehmend.

Dabei wird die Investition in die Integration und Verknüpfung der unterschiedlichen Kanäle von vielen Handelsunternehmen als eine der größten technischen und organisatorischen Herausforderungen der kommenden Jahre gesehen. Im vergangenen Jahr hatten 49,5% der Online-Shops zusätzlich ein oder mehrere stationäre Geschäfte – zwei Jahre zuvor waren das noch 45% und die Quote wächst stetig. Die Ladenflächen werden zunehmend durch eigene Zonen für die Abholung oder die Rückgabe von im Internet bestellten Waren ergänzt.

Click &Collect macht Schule und wird nach und nach das Gesicht der Geschäfte verändern. Die Zukunft gehört zweifelsohne den Unternehmen, die stationäre Geschäfte und Online-Handel optimal miteinander verbinden, ganz so, wie es der Kunde gerade wünscht.

Mit Emotion und Aktion in die Zukunft

Wie sich die Konzepte in Zukunft wandeln werden, zeigt exemplarisch die Kinderbuchhandlung «Little Bookworm» in Chonqing/China – die für den EuroShop RetailDesign Award 2014 nominiert wurde. Die gesamte Gestaltung des Ladens basiert auf der Geschichte des «Little Bookworms» und besticht durch seine phantasievolle Inszenierung. Neben dem Verkauf von Büchern differenziert sich der Kinderbuchladen durch eine Reihe von Services und Extras, darunter Vorlese-Stunden sowie Mal- und Bastelkurse.

Ein angeschlossenes Café und ein eigener Spiel- und Eventbereich laden zudem Kinder und ihre Eltern zum Verweilen ein. Eine wirklich gelungene Umsetzung, die von Erfolg gekrönt ist.