28.01.25 – Interview mit Tomma Rabach
„Junge Zielgruppen legen Wert auf Authentizität und Nachhaltigkeit.“
Haltung, gesellschaftliches Engagement und authentische Kommunikation auf Augenhöhe als Erfolgsfaktor: Wir haben mit Tomma Rabach, geschäftsführende Gesellschafterin von rabach kommunikation, gesprochen, inwiefern Kommunikation dabei helfen kann, sich in einem wettbewerbsstarken Markt erfolgreich zu positionieren und warum es gerade in unserer Branche so wichtig ist, Haltung zu zeigen.
das spielzeug: Der Spielwarenmarkt befindet sich im Umbruch. 2024 schrumpfte der deutsche Markt um 4 %, internationale Marken gewinnen hinzu, während bekannte deutsche Hersteller teilweise deutlich verlieren. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe für diesen Wandel?
Tomma Rabach: Die Branche steht vor mehreren Herausforderungen: die anhaltende Inflation, steigende Produktionskosten und ein immenser Preisdruck fordern Hersteller und Händler gleichermaßen heraus. Nicht wenige kämpfen ums wirtschaftliche Überleben. Dem gegenüber steht eine deutlich veränderte Erwartungshaltung von Konsumenten. Gerade die jungen Zielgruppen – Gen Z und Gen Alpha – legen großen Wert auf Authentizität und Nachhaltigkeit. Sie hinterfragen Marken intensiver, sind bestens informiert, tauschen sich in ihren Communities aus und stellen hohe Ansprüche an Ethik sowie soziale und ökologische Verantwortung. Wer die Bedürfnisse seiner Zielgruppe nicht berücksichtigt, verliert Marktanteile.
das spielzeug: Das Thema „Haltung zeigen“ klingt nach einem zentralen Erfolgsfaktor. Warum ist das gerade für die Spielwarenbranche essenziell?
Tomma Rabach: Spielwaren sind mehr als nur ein Produkt – sie haben Einfluss auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Zudem sind Eltern und Kinder eine besonders sensible Zielgruppe und wir wissen, dass die heutigen Kids andere Fähigkeiten lernen müssen, als wir Erwachsenen es in unserer Kindheit benötigt haben – Stichwort „21st century skills“. Das ist an sich nichts Neues. Auch die Forderung nach einer klaren Haltung ist nicht neu. Doch bislang agieren die wenigsten Spielwarenhersteller zielgruppen- und bedürfnisorientiert. Gerade die Gen Z und die Generation Alpha achten darauf, wie sich eine Marke positioniert und welche Grundsätze sie vertritt. Beide Generationen sind in einer durch und durch vernetzen Welt aufgewachsen. Das birgt die große Chance und das immense Risiko, dass sie den Ruf einer Marke in Windeseile stärken oder auch empfindlich beschädigen können. Darüber hinaus ist die Branche im Zuge von neuen Regularien wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zunehmend verpflichtet, Transparenz über Produktionsbedingungen und Materialien sicherzustellen. Haltung zu zeigen ist also kein Trend, sondern wird eingefordert – von staatlicher Seite, Verbraucherschützern und den Konsumenten selbst. Die Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen oder die Unterstützung sozialer Projekte sind längst keine Randerscheinung mehr, sondern entwickeln sich zunehmend zum Standardanspruch. Und genau das ist gerade für die Spielwarenbranche, die häufig in Ländern wie China, Indien oder Vietnam produziert, hochriskant. Denn mangelnde Regulierungen, unzureichende Umweltauflagen und bestehende Armut schaffen ein brisantes Umfeld für die Ausbeutung von Arbeitskräften – bis hin zur Gefahr von Kinderarbeit. Faktoren, die ein enormes kommunikatives Konfliktpotenzial bergen, das Unternehmen zunehmend in ernsthafte, im schlimmsten Fall, existenzielle Schwierigkeiten bringen wird.
das spielzeug: Die Generationen Z und Alpha sind von klein auf mit KI, Sprachassistenten und Apps vertraut. Welche Chancen und Risiken sehen Sie hier?
Tomma Rabach: Ein aus meiner Sicht großes Potenzial liegt in den enormen Reichweiten und einem starken Marken-Community-Effekt, sofern Hersteller die Bedürfnisse und spezifischen Kommunikationskanäle ihrer Zielgruppen berücksichtigen und die junge Zielgruppe gezielt in der digitalen Welt abholen. Gleichzeitig besteht v. a. durch den Einsatz von KI ein beträchtliches Risiko: In den USA werden aktuell Fälle vor Gericht verhandelt, in denen KI-Chatbots Kinder oder Jugendliche zu strafbaren Handlungen oder gar Suizid aufgefordert haben sollen. Schon vor einigen Jahren haben Forscher davor gewarnt, dass sich fortgeschrittene KI verselbstständigen und im extremsten Fall gegen ihre Erfinder wenden könnte. Für mich ein absolutes Warnsignal – auch für den deutschsprachigen Raum. Gerade Spielwarenhersteller, die KI für ihre Produkte oder in ihren Kommunikationskanälen nutzen, tragen eine besondere Verantwortung. Ein hohes Maß an Sicherheitsfunktionen, umfassende Aufklärung für Eltern und Kinder sowie eine sorgfältige Content-Moderation sollten ebenso selbstverständlich sein wie gezielte Investitionen in Schutz- und Bildungsprogramme.
das spielzeug: Inwiefern kann Kommunikation dabei helfen, sich in diesem wettbewerbsstarken Markt erfolgreich zu positionieren?
Tomma Rabach: Strategische Kommunikation ist der entscheidende Hebel, um jenseits des Preiskampfs zu überzeugen. Eltern und Familien wollen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Sie erwarten keine perfekte Darstellung, sondern authentisches Auftreten. Genau das schafft Verständnis und baut Vertrauen auf. Spielwarenhersteller, die sich als kontinuierlich lernende, verantwortungsbewusste und gleichzeitig wirtschaftlich solide Marken darstellen, werden auf lange Sicht erfolgreich sein. Ein transparenter und ehrlicher Austausch wird zum wesentlichen Wettbewerbsvorteil. Besonders in einem Markt, der zwischen Kostendruck und ethischen Erwartungen hin- und hergerissen ist. Denn all das schafft Vertrauen und stärkt die emotionale Bindung. Wer zudem eine eigene Community aufbaut, erhält Fürsprecher, die die Marke auch in turbulenten Zeiten verteidigen.
das spielzeug: Heißt das, Hersteller sollten stärker in PR und Wertekommunikation investieren und weniger in reine Verkaufsförderung?
Tomma Rabach: Als PR-Beraterin bin ich natürlich von strategischer Kommunikationsarbeit überzeugt. Doch ich glaube auch an einen ausgewogenen Mix als Erfolgsrezept. Klassische Sales-Kampagnen sind zweifelsohne auch zukünftig von großer Bedeutung und bietet gerade kurzfristig entscheidende Vorteile: Steigerung des Umsatzes und Push von Neuheiten. Doch der Aufbau eines nachhaltigen Markenimages wirkt langfristig und ist heute wichtiger denn je. Wir wissen aus Marktforschungen, dass bereits vor einigen Jahren fast Dreiviertel der Konsumenten bereit waren, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen – vorausgesetzt, sie verstehen, welchen Mehrwert sie damit unterstützen. Und wir wissen, dass die nächste Generation noch anspruchsvoller sein wird. Kommunikation sollte deshalb aus meiner Sicht gerade in der heutigen, herausfordernden Wirtschaftslage, nicht nur als Kostenfaktor gesehen werden, sondern als Investition in die Reputation und eine langfristige Kundenbindung. Dafür lohnt es sich, neue Messgrößen und KPIs einzuführen, statt Erfolge auf den sofortigen Abverkauf zu reduzieren.
das spielzeug: Welche Perspektiven sehen Sie für die nächsten Jahre, wenn die Branche diese Balance zwischen Haltung und ökonomischen Zwängen sucht?
Tomma Rabach: Die Prognosen klingen eigentlich sehr positiv: Bis 2029 soll der Spielwarenmarkt in Deutschland ein Volumen von rund 6 Mrd. € erreichen und damit der Umsatz endlich wieder wachsen. Doch das Wachstum wird natürlich nicht gleichmäßig verteilt sein. Marken und auch Händler, die sich als Purpose- und Soulpreneure verstehen und ihre Bedürfnisgruppen kennen und verstehen, werden zu den Gewinnern gehören. Doch dafür ist es notwendig, die Zeichen der Zeit zu erkennen, Verantwortung zu übernehmen und Werte und transparente Kommunikation in die Markenstrategie zu integrieren. Es geht um ein Sowohl-als-auch: Effiziente Produktionswege, die dennoch eine gewisse Qualität sichern, gepaart mit gesellschaftlichem Engagement und einer authentischen, werteorientieren Haltung, die nicht nur kommuniziert, sondern auch gelebt wird. Das ist keineswegs einfach. Doch es lohnt sich: Denn Eltern und Kinder danken es mit Loyalität und Weiterempfehlungen. In einer Zeit, in der das Vertrauen in Marken tendenziell sinkt und Preise steigen, gewinnt der ehrliche Dialog an Bedeutung – und den erreichen wir mit authentischer Kommunikation auf Augenhöhe.