06.05.14 – Gastkommentar
Der Kunde – das unbekannte Wesen
Laut BVS kaufen bereits 27% der Spielwarenkunden die Produkte über das Internet– Tendenz steigend. Wie der stationäre Handel darauf reagieren muss, erläutert Cirk Sören Ott von der Gruppe Nymphenburg in seinem Gastkommentar.
Die Gruppe Nymphenburg Consult untersucht seit Jahren zusammen mit ihren Partnern aus dem Ebeltoft-Netzwerk in der weltweiten Neo-Consumer-Studie das veränderte Verbraucherverhalten.
Diese macht deutlich, dass Konsumenten mehr denn je auf das Mehrkanalangebot zugreifen und dabei unabhängig von «Zeit und Raum» agieren. Zentrum seiner Unabhängigkeit ist das Smartphone. Laut Google Deutschland sind weltweit mittlerweile 1,5 Mrd. davon im Einsatz, 91% davon sind nie weiter als 1 m von ihrem Smartphone entfernt, 40% schauen darauf, bevor sie aufstehen – natürlich sind auch Kinder bereits «infiziert». Nach Angaben von Mpfs 2012 besitzen 50% der Sechs- bis Dreizehnjährigen in Deutschland ein eigenes Smartphone – auch hier ist die Tendenz steigend. Durch den eigenen Besitz wächst die Mitbestimmung der Kinder beim Spielwarenkauf: Die Jüngsten suchen selbständig, sie wählen eigenständig aus und sie erstellen Wunschlisten.
Chancen des stationären Händlers
Trotz dieser digitalen «Abhängigkeit» gibt es nach wie vor eine Mehrheit, die sich online informiert, dann aber an einem physischen PoS kauft. Produktbewertungen anderer Kunden sind dabei wichtiger denn je. Auch der Kostenvergleich und die Preiskenntnis sind wichtige Veränderungen im Informations- und Kaufverhalten. Erst wählt man den Artikel und dann den Einkaufskanal. Hier gibt es jedoch Besonderheiten im Spielzeughandel, denn der Kunde kauft nicht für sich selbst, sondern für seinen Sohn oder Tochter, für seine Enkel oder für das Patenkind. Dies bringt ein unterschiedliches Involvement mit sich, aber auch ein unterschiedliches Maß an Unsicherheit. Eine Chance für den stationären Spielwarenhändler von morgen, sofern er seinen Kunden kennt. Denn dieser hat eine konkrete und hohe Erwartungshaltung an die Handelslandschaft. Mehrwert für den Kunden entsteht hierbei durch Servicelevel vor, während und nach dem Einkauf.
In erster Linie ist es essentiell, die richtigen Touchpoints– Nummer eins ist die eigene Internetseite – zu bespielen und dort die relevanten Informationen und Empfehlungen bereit zu stellen. Am PoS kommt es dann darauf an, seinen Kunden individuell zu bedienen, denn jeder Kunde ist anders:
- Der bequeme Kunde: Er möchte ein «Rundum-Sorglos-Paket»– ohne viel zu fragen zum richtigen Geschenk.
- Der service-orientierte Kunde: Er setzt beim Ladenbesuch auf Hilfe bei der richtigen Produktauswahl.
- Der qualitäts-orientierte Kunde: Er sucht das Beste und unbedenklichste Spielzeug für «sein» Kind.
- Der preisorientierte Kunde: Er erwartet zumindest für bestimmte Produkte den besten Preis!
Zudem gilt: Nach dem Einkauf ist vor dem Einkauf: Der Händler muss ein durchgängig verlässlicher Partner sein. Dies macht deutlich, dass der stationäre Händler seine Kunden und deren Bedürfnisse viel besser kennen (lernen) muss. Letztlich ist der nur noch preis-fokussierte Kunde kein Spiegelbild der Gesamtheit.
Starke Transformation gefragt
Durch das veränderte Kundenverhalten im stationären Handel ist eine immense Transformation notwendig. Hierbei gilt es für jeden Händler, den richtigen Mix aus Einfachheit, Entdeckung und Ehrlichkeit zu finden. Die über Jahre dominierenden KPIs im stationären Handel wie Spanne, Umsatzwachstum, Warenumschlag, Expansion und Mitarbeiterzahl müssen um stärker kundenorientierte Erfolgskennziffern ergänzt werden. Hierbei hat der stationäre Händler die Aufgabe, sich neu zu erfinden: Es geht um die neue Währung der «individuellen Kundenansprache»: Der PoS wird zum PoP (Point of Purchase), der Händler zum Kundenversteher. Der stationäre Handel muss wieder zum Taktgeber werden und das Internet nicht länger als Maß aller Dinge betrachten. Ja, das World Wide Web kann Auswahl, Preis und Information sein, aber kann es auch Kundenbedürfnisse erkennen? Es spricht vieles dafür, dass erst das Miteinander der Kanäle Bedürfnisse optimal erfüllen kann – hierbei kommt dem stationären Handel weiterhin eine zentrale Rolle zu, aber nur wenn er sich auf seine Kernkompetenzen zurück besinnt, statt den gnadenlosen Stärken des Internets (Preis) nachzueifern ohne Aussicht auf Erfolg!
Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Zukunft im stationären Spielwarenhandel sind u.a die Einführung einer Kundenkarte, Events für Jung und Alt, individuelle Serviceangebote, Produktbewertungen online wie offline, ein gezielter Liefer- und Versandservice, kundenfreundliche Öffnungszeiten sowie eine starke Präsenz im eigenen Einzugsgebiet. Unbedingt sollte man den Hauptvorteil ausspielen: Der Kunde kann die Ware sofort mitnehmen!
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