11.03.24 – Interview zur Nachnutzung von Warenhäusern

„Die Chancen für die Innenstädte sind groß“

Dr. Johannes B. Berentzen ist geschäftsführender Gesellschafter der BBE Handelsberatung GmbH. Seit 15 Jahren berät der Betriebswirt Händler und Hersteller in allen Strategie- und Managementfragen. Mit das spielzeug hat er über die erneute Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof gesprochen und darüber, wie man leerstehende Kaufhäuser weiter nutzen könnte.

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Aus Sicht von Dr. Johannes B. Berentzen, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung, ist eine Zerschlagung von Galeria Karstadt Kaufhof „sehr wahrscheinlich“. © Corinna/adobe.stock.com

 
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Dr. Johannes B. Berentzen © Quirin Leppert

 

das spielzeug: Am 9. Januar 2024 meldete Galeria Karstadt Kaufhof zum dritten Mal Insolvenz an. Welche sind Ihrer Einschätzung nach die Hauptursachen für die Krise des Konzerns?

Dr. Johannes B. Berentzen: Die Krisenursachen reichen weit in die Vergangenheit zurück. Angefangen mit dem Verkauf der Immobilien und in der Folge hohen Mietzahlungen. Das Geschäftsmodell wurde zu wenig den neuen Marktbedingungen angepasst, insbesondere dem zunehmenden Onlinehandel. Aus meiner Sicht haben auch Zentralisierung in vielen Prozessen und der vermehrte Einsatz von Konzessionsflächen zur aktuellen Krise geführt. Das Warenhaus als Versorgungsstandort funktioniert nicht mehr, das geht online mit mehr Auswahl, günstiger und ohne eigenen Zeitaufwand.

das spielzeug: Wie viele Warenhäuser stehen in Deutschland derzeit nach der Schließung leer? Wie könnte man diese Immobilien neu nutzen?

Dr. Johannes B. Berentzen: Im Schnitt dauert es vier bis fünf Jahre von einer Warenhausschließung bis zur Wiedereröffnung nach erfolgter Umnutzung. Laut einer Studie des IIHD stehen aus der ersten Galeria Karstadt Kaufhof-Insolvenz 2020 noch mindestens die Hälfte der 40 Häuser leer. Aus den Schließungswellen der zweiten Insolvenz im Juni 2023 (19 Häuser) und Januar 2024 (18 Häuser) ist vermutlich noch kein einziges Haus nachgenutzt. Und viele weitere werden voraussichtlich in der dritten Insolvenz folgen. Eine Nachnutzung als erneuter Einzelhandelsstandort über alle Etagen ist mehr als unwahrscheinlich. Hier gibt es nur wenige Ausnahmen. Es bietet sich eine Mischnutzung an, die neben Einzelhandel und Gastronomie im Erdgeschoss z. B. Büros, Dienstleistungsangebote, Co-Working oder Hotel beinhaltet, ergänzt um Wohnungen in den obersten Etagen.

das spielzeug: Was ist bei der Nachnutzung eines Warenhauses zu beachten?

Dr. Johannes B. Berentzen: Wichtigste Erkenntnis: Es gibt keine einfachen oder pauschalen Lösungen. Das Nutzungskonzept muss sehr genau auf die Bedürfnisse des jeweiligen Standortes und die adressierten Zielgruppen abgestimmt sein. Die Analyse von Makro- und Mikrostandort liefert erste Anhaltspunkte. Und dann geht es um die richtige „Komposition“ der Nutzungsarten, die zugleich wirtschaftlich tragfähig ist. Dazu gehört, dass die Nachnutzung von Warenhausimmobilien auch baulich nicht trivial ist, weil sie für genau diesen Zweck erbaut wurden, d. h. es gibt kaum Fensterfronten, dafür große Fahrtreppenbereiche. Hinzu kommt der meist schlechte energetische Zustand der Immobilien. All das zusammen zeigt den enormen Investitionsbedarf, den ein Umbau oder ein Neubau mit sich bringt.

das spielzeug: Welche Chancen bietet die Nachnutzung von Warenhäusern für die Innenstädte?

Dr. Johannes B. Berentzen: Die Chancen für die Innenstädte sind groß, denn so große Flächen in zentraler Lage werden nur selten frei. Sie können dazu dienen, neue Treffpunkte zu schaffen, lebendige Quartiere, neue Anziehungspunkte für die Innenstadt. Diese Strahlkraft haben Warenhäuser seit vielen Jahren längst verloren. Mischnutzungen können auch Vorbild für weitere Sanierungen in der Stadt sein, denn Handel wird sich insgesamt immer mehr auf das Erdgeschoss beschränken. Wichtig ist, dass die Städte sich aktiv in den Prozess der Nachnutzungen einbringen und vielleicht auch neue Ansätze ermöglichen (z. B. Wohnen im Kerngebiet).

das spielzeug: Welche Beispiele für gelungene Nachnutzungskonzepte gibt es?

Dr. Johannes B. Berentzen: Da gibt es einige Beispiele. Zum Teil sind erfolgreiche Quartiere entstanden, zum Beispiel in Recklinghausen, wo heute u. a. Ärzte, eine Kita, Büros und betreutes Wohnen für Senioren eingezogen sind. In Hof funktioniert eine Mischung aus Einzelhandel und Hotel sehr gut. In Gelsenkirchen hat man aus einer Bürgerinitiative heraus auf eine Kombination aus Gastronomie, Fitnessstudio, Seniorenwohnen und Einrichtungen wie die Stadtbibliothek gesetzt und in Bonn ist oberhalb von LEH-Discount und Drogeriemarkt im Untergeschoss ein Modefachgeschäft bis zum 2. OG eingezogen und im 5. OG wird eine städtische Konzert- und Veranstaltungslocation entstehen.

das spielzeug: Kommen wir noch einmal zurück zu Galeria Karstadt Kaufhof: Wie schätzen Sie die Zukunft des Konzerns und seiner Warenhäuser ein?

Dr. Johannes B. Berentzen: Grundsätzlich können Warenhäuser mit hohem Modeanteil funktionieren. Hier gibt es gerade im Mittelstand viele erfolgreiche Beispiele. Auch Luxuswarenhäuser mit klarer touristischer Ausrichtung haben ihre Berechtigung, daher bewerte ich die Insolvenz der KaDeWe-Group auch anders. Bei Galeria Karstadt Kaufhof bin ich hingegen wenig optimistisch. In das Unternehmen sind immense Summen an Steuergeldern geflossen, ohne dass sich das Geschäftsmodell in der Breite verändert hat. Ich kann mir niemanden mit Handelsverstand vorstellen, der einen Großteil der Häuser fortführen wird. Aus meiner Sicht ist eine Zerschlagung sehr wahrscheinlich.