18.10.21 – Offline-Shopping
Die Innenstadt als Erlebnisraum
Die Studie „Die Zukunft des Einkaufens: Wie Innenstädte sich verändern“ von Lifestyleslab und Peak Ace hat Menschen zu ihrem Einkaufsverhalten befragt und verweist auf Möglichkeiten für den stationären Einzelhandel.
Seit dem Beginn der Pandemie haben laut einer aktuellen Mastercard-Studie über die Hälfte der Deutschen mehr online eingekauft als je zuvor. Der Onlinehandel verfolgt große Ziele und will 2021 sogar die 100-Milliarden-Grenze knacken. Die aktuelle Entwicklung beschreibt Gero Furchheim, der Präsident des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh), so: „Wir sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ Doch bedeutet das Wachstum der einen Branche das Aus für die andere?
Dass der stationäre Handel aktuell leidet, lässt sich auch an den erhobenen Daten der Studie erkennen. Nur 13,56 % der Befragten von Lifestyleslab und Peak Ace nutzen den Einzelhandel vor Ort zum Bummeln und Schaufenstershopping und lediglich 7,65 % sehen Shoppen als soziales Ereignis. Die Fragen, die sich nun stellen, sind: Was wird aus den leerstehenden Geschäften und wie sieht die Zukunft unserer Innenstädte aus? Und wie können die Menschen zurück in die Städte geholt werden? Was muss passieren, damit Stadtkerne eine neue Dynamik bekommen?
Offline-Shopping: Warum das Geschäft vor Ort unersetzbar bleibt
Ein Blick auf die Produktkategorien zeigt, dass seit dem Beginn der Pandemie insbesondere Kleidung vermehrt online geshoppt wird, wohingegen Gegenstände des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Getränke oder Körperpflegeprodukte weiterhin vor Ort gekauft werden. Die Mehrheit der Studienteilnehmer gingen bislang während der Pandemie nie in Geschäften einkaufen, die nicht den täglichen Bedarf decken. Das Konzept Click & Collect, das während der Pandemie durchaus nützlich war, wurde laut der Umfrage von 81 % der Befragten weder vor noch während der Pandemie genutzt. Auch Click & Meet wurde von der Hälfte der Befragten (50 %) noch nie genutzt.
Obwohl also Online-Shopping immer beliebter wird, können sich viele Menschen ein Leben ohne eine Innenstadt nicht vorstellen. Fast die Hälfte (45 %) der Befragten der Studie geben an, gerne im stationären Einzelhandel einzukaufen.
Viele Studienteilnehmer, die offline shoppen, sorgen sich zudem um die Einzelhändler in ihrer Region und kaufen bewusst bei Geschäften in der Nähe ein. Damit zeigen sich durchaus die Bemühungen sowie die Bereitschaft für einen Besuch in der Innenstadt. Dafür sprechen auch zahlreiche Projekte von ursprünglich reinen Onlinehändlern, die inzwischen stationäre Geschäfte in deutschen Innenstädten eröffnen.
Viele Verbraucher gehen gern in die Innenstädte, weil sie nach bestimmten Produkten suchen oder sich inspirieren lassen wollen. Hinzu kommen der persönliche Kontakt, das direkte Anprobieren, wegfallende Versandkosten und ein guter Service als weitere Gründe für den Gang in die City. Beim Offline-Shopping ist zudem die Gefahr geringer, zum gläsernen Kunden zu werden.
Die Lage in den Innenstädten
Dennoch berichten laut HDE zwei Drittel der Einzelhändler von sinkenden Besucherzahlen an ihren Standorten. Auch Großstädte mit Innenstädten in zentralen Lagen bleiben davon nicht verschont. So zeigt sich unabhängig von der Stadtgröße, dass knapp jeder Fünfte nur noch gelegentlich in die Innenstadt fährt. Je nach Ort oder Region treten Stadt und Handel unterschiedlichen Herausforderungen entgegen. Während beispielsweise Hauptgeschäftslagen in Metropolen eher positive Entwicklungen beobachten, klagen viele Nebenzentren oder B-Lagen in Großstädten sowie kleine und mittelgroße Städte über Frequenzverluste, Umsatzrückgänge oder Leerstände.
Wie Innenstädte sich verändern (müssen)
Die Herausforderungen, denen Stadt und Handel gegenüberstehen, unterscheiden sich je nach Region und Stadt. Es geht also darum zu verstehen: Wer wohnt wo und welche Anforderungen und Wünsche haben die Menschen an die jeweiligen Stadtstrukturen? Ist eine Stadt noch für das reine Einkaufen gedacht? Oder geht es darum, den Menschen Erlebnisse, Entspannung und das ganz Besondere zu bieten, damit sie weiterhin in den Städten ihre Zeit verbringen? Und wie kann sich der Einzelhandel diesen neuen Anforderungen und Herausforderungen anpassen? Der reine Konsum jedenfalls ist nicht mehr das, was die Menschen in die Stadt lockt. Auch dürfen die Städte sich nicht zu sehr vom Einzelhandel abhängig machen. So listet die Studie einige Konzepte auf, die es bereits gibt, die aber weiter ausgebaut werden können:
• Digitalisierung: Viele Händler halten sich mit Konzepten wie Click & Meet, Online-Kaufberatung oder Liefer- und Abholservice über Wasser. Zukünftig soll im stationären Handel der Service- und Erlebnisgedanke eine noch zentralere Rolle spielen. Weitere digitale Möglichkeiten könnten zum Beispiel Service-Roboter, eine In-Store-Navigation oder eine Just-Walk-Out-Technologie sein.
• Mobilität: Erreichbarkeit ist ein großes Thema. Die zukünftige, innerstädtische Mobilität muss somit smart, effizient und multimodal sein. Viele Städte haben bereits neue Konzepte, die die unterschiedlichen Verkehrsmittel miteinander vernetzen. Hier geht es um das E-Bike oder das E-Auto an der Endhaltestelle, die zusammen mit dem ÖPNV-Ticket gebucht werden können. Solche Lösungen müssen ausgebaut und noch attraktiver werden, damit die Menschen sie gerne nutzen.
• Integration des Smartphones: Händler, die sich das Smartphone ihrer Kunden gezielt zu Nutze machen, sind im Vorteil, z. B. über Werbeeinblendungen, sobald der Kunde am Geschäft vorbeiläuft.
• Aufwertung von Räumen: Öffentliche und private Räume sollten als authentisches Gesamtbild optisch verbunden und aufgewertet werden. Stichworte Anbindung, Verkehrs- und Wegführung, Verweil- und Ruhezonen, Pflege- und Instandhaltung
• Vereinheitlichung von Ladenöffnungszeiten
• Einkaufsbequemlichkeit erhöhen: z. B. Paket-Boxen, Drive-in-Schalter, gemeinschaftlicher Lieferservice zur Profilierung und Frequenzsteigerung
• Einkaufsatmosphäre fördern, Marktplätze installieren, Shopping-Events und exklusive Angebote etablieren
Die Studie wirbt für die Entwicklung und Umsetzung moderner Konzepte, um den Innenstädten neues Leben einzuhauchen: zum Beispiel durch die Integration von ansprechenden Cafés und Räumen, die zum längeren Verweilen einladen. Zudem müssten Online- und Offline-Geschäfte miteinander interagieren, da die Kunden oft in beiden Welten einkaufen. Bestes Beispiel ist die Online-Bestellung, die im Laden abgeholt oder zurückgegeben wird.
Im Idealfall werden Innenstädte in Zukunft wieder zum unverzichtbaren „Place to be“: einem individuellen und aufregenden Ort, den es so noch nicht gibt. Wo neue Kombinationen von Dienstleistungen, Handel, Beratung, Gastronomie, Bildung, Kommunikation und Kunst ausprobiert werden und sich Menschen mit vielen verschiedenen Vorlieben und Hintergründen bewegen.