04.01.16 – Kartellamt auf Irrwegen

Vernichtung statt Wettbewerb

Kernaufgabe von Kartellbehörden ist es, die Dienstleistungsvielfalt mittelständischer Fachgeschäfte vor Ort aufrecht zu erhalten. Warum aber das Bundeskartellamt die Fachkompetenz der stationären Spielwarengeschäfte gefährdet, erklärt Wirtschaftspublizist Detlef Brendel.

Kuscheltier statt Handy

Fühlen ist besser als Liken per App. Fachgeschäfte müssen im Wettbewerb gestärkt werden.

 
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Autor Detlef Brendel („Wirtschaft im Würgegriff/Wie das Kartellamt Unternehmen blockiert“) ist studierter Kommunikationsforscher und leitet ein Pressebüro.

 

Kaum ein Wirtschaftsbereich verändert sich derzeit so grundlegend wie der Handel. Die Digitalisierung des Einkaufs hat neue Bestellmöglichkeiten, Vertriebskanäle und Marketingmaßnahmen hervorgebracht. Das Smartphone hat sich zum Shopping-Instrument entwickelt. Bei einer repräsentativen GfK-Studie unter 25.000 Handynutzern für den Handelsverband Deutschland (HDE) gaben 26 % der Befragten an, dass sie beim Einkaufen über ihr mobiles Gerät die Preise vergleichen. 25 % setzen ihr Smartphone bzw. Tablet ein, um Produkte vor Ort zu fotografieren. Auch das Scannen von Barcodes gehört mittlerweile für 17 % der Handynutzer zur Routine. Diese technischen Optionen sind zweifellos eine Bereicherung für den Kunden. Für den Fachhandel sind die Online-Niedrigpreis-Angebote brutale Konkurrenz.

Der Kauf von Spielzeug sollte ein Erlebnis sein. Plüschtiere ansehen und fühlen, fachliche Beratung über altersgerechte Spielwaren, eine Diskussion zum pädagogischen Nutzen von Spielen oder sachgerechte Ratschläge bei Technik-Spielzeug gehören zu diesem Erlebnis. Die fachliche Kompetenz in der Spielwarenwelt vor Ort wird jetzt ausgerechnet durch eine Bundesbehörde gefährdet. Die Regulierungswut des Bundeskartellamtes erwartet von den Herstellern indirekt eine Ausrichtung ihrer Vertriebsformen am jeweils niedrigsten Preisniveau. Unterschiedliche Rabattstaffeln für Fachhandel und Online-Verkauf werden von der Behörde, wie Beispiele aus anderen Branchen zeigen, nicht geduldet. Der Aufwand realer Geschäfte für Personal, Präsentationsfläche, Vorführware und Mitarbeiterschulungen kann deshalb bei der Preisgestaltung kaum noch berücksichtigt werden.

Markenherstellern, die sich bisher bewusst für den Fachhandel entschieden haben, wird damit die Grundlage für den bevorzugten Vertrieb hochwertiger Produkte entzogen. Denn im direkten Preisvergleich mit Online-Plattformen und Discount-Ketten lassen sich die serviceorientierten Zusatzleistungen im Fachhandel nicht finanzieren.

Totengräber für den Fachhandel

Das Kartellamt kann mit dieser Politik ein Beschleuniger des Sterbens im Fachhandel werden. Der Schutz des Fachhandels vor Ort durch bessere Rabatte wegen seiner höheren Kosten im Vergleich zum preiswerten Internet-Handel wurde durch das Kartellamt verboten, weil er angeblich den Wettbewerb gefährdet. Es sei ein selektives und deshalb unzulässiges Vertriebssystem, so die Rechtsauffassung des Kartellamts, wenn Hersteller beispielsweise ihre Produkte gar nicht oder nur zu gestaffelten Konditionen über das Internet verkaufen lassen. Die Begründung des Kartellamts für diesen Eingriff in den Markt ist abenteuerlich: Durch die Rabattstaffelung werde „der Wettbewerb im Online-Handel sowie der davon ausgehende Preisdruck auf stationäre Fachhändler reduziert“. Es ging den Markenherstellern nicht darum, den Preisdruck zu reduzieren, sondern den Kostendruck im Interesse des Fachhandels und seiner Arbeitsplätze erträglicher zu machen.
    
Lokale Fachgeschäfte, die sich durch Kundenorientierung, persönliche Beratung und umfangreiche Service-Leistungen gegenüber den überregionalen Filialketten und Online-Händlern behaupten, sind in ihrer Existenz gefährdet, weil sie gerade diese Stärken nicht mehr zu wirtschaftlichen Bedingungen ausspielen können. Die zynisch klingende Erklärung von Andreas Mundt, dem Präsidenten des Bundeskartellamtes: Der Fachhandel müsse unternehmerische Lösungen seines Problems finden. Wie die aussehen sollen, hat er dem um sein Überleben kämpfenden Fachhandel dabei allerdings nicht verraten.

Die Entmündigung der Wirtschaft

Herstellern wird es immer schwerer gemacht, über die passenden Vertriebswege ihrer Produkte selbst zu entscheiden. Sie müssen einem Verkauf im Niedrigpreis-Umfeld der großen Internet-Portale zustimmen, selbst wenn sie ihre hochwertigen und beratungsbedürftigen Markenartikel dort gar nicht sehen möchten. Mit dieser Politik wird die Marktmacht der großen, oft international agierenden Online-Händler und preisaggressiven Handelskonzerne gestützt. Verlierer sind neben den regionalen Händlern und deren Mitarbeitern, die ihre Arbeitsplätze verlieren, aber auch die Kunden, denen ein „Discountry“ droht, ein ausschließlich an Niedrigpreisen orientiertes Discount-Angebot ohne die Dienstleistungsvielfalt mittelständischer Fachgeschäfte. Eigentlich sollte die Erhaltung dieser Vielfalt ja eine Kernaufgabe der Kartellbehörden sein.

Für den Fachhandel ist es eine Herausforderung, in dem durch die Entwicklung des Online-Handels getriebenen Strukturwandel zu bestehen. Es wird Kreativität und Investitionen erfordern, den Handel in diesem Wandel am Leben zu erhalten und damit für Arbeitsplätze, aber auch für lebendige und attraktive Innenstädte zu sorgen. Eine wirtschaftsferne Behörde, die unter Ignoranz des Kostendrucks im Handel den Preisdruck gegenüber Billiganbietern erhöht, zerstört Wettbewerb. Slogans wie „Ich bin doch nicht blöd“ oder „Geiz ist geil“ sind nicht die Lösung des Wettbewerbs und auf keinen Fall Garanten einer funktionierenden Wirtschaft, von der dieses Land lebt.

Gastautor: Detlef Brendel
(studierter Kommunikationsforscher und Leiter eines Pressebüros)

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