05.02.24 – Zukunft des Einkaufens

Wie digital ist der Handel?

Wo liegt die Zukunft des Einkaufens, fragt sich unsere Gastautorin Heike Scholz: Durch den Laden um die Ecke stöbern oder online auf virtuelle Shoppingtour gehen? Und welche Rolle wird KI in Zukunft spielen?

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Gastautorin Heike Scholz © Zukunft des Einkaufens

 

Der Handel stellt sich zunehmend hybrid auf: 85 % der deutschen Handelsunternehmen bieten ihre Produkte und Dienstleistungen sowohl online als auch stationär an. Das ist ein Ergebnis einer repräsentativen Befragung unter 503 Handelsunternehmen in Deutschland ab zehn Mitarbeitenden im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Der Anteil der Unternehmen, die beide Vertriebskanäle nutzen und mindestens die Hälfte oder mehr ihres Gesamtumsatzes mit ihrem Online-Geschäft machen, steigt in diesem Jahr auf 30 %. Abgesänge auf den stationären Handel dürften aber verfrüht sein. Nur 12 % der Handelsunternehmen sagen, der stationäre Handel habe keine Zukunft. Sieben von zehn (71 %) sind aber der Meinung, der stationäre Handel muss sich neu erfinden.

Mehrheit hält KI künftig für wettbewerbsentscheidend – aber zögert beim Einsatz

Künstliche Intelligenz wird derzeit quer durch alle Branchen diskutiert – und auch im Handel geht eine Mehrheit von 56 % davon aus, dass der Einsatz von KI entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit sein wird. Dennoch setzen erst 4 % der deutschen Handelsunternehmen KI-Technologien ein. 15 % planen und diskutieren es, bei der überwiegenden Mehrheit von 77 % ist der Einsatz von KI bislang kein Thema.

73 % sagen, dass sie beim Einsatz von neuen KI-Technologien wie z. B. ChatGPT in der Regel erst einmal warten, welche Erfahrungen andere machen. Gleichzeitig geben aber auch 61 % der Händler an, dass ihnen die Mitarbeitenden im Bereich KI fehlen, um die Einbindung voranzutreiben.

Mit der neuen Technologie sind aber auch Sorgen verbunden: Drei Viertel (76 %) der Handelsunternehmen befürchten, durch den Einsatz von KI im Kundenservice werde eine Entfremdung von der Kundschaft vorangetrieben. 72 % sind besorgt, dass massenhaft KI-generierte Fake-Bewertungen ihrem Unternehmen schaden könnten.

Potenzial für KI im Handel

Zwar sagen 26 % der Händler, KI-Technologien im Handel seien ein Trend, der bald vorüber gehen werde, gleichzeitig sieht der Handel aber Einsatzmöglichkeiten für KI- Technologien in sehr vielen Bereichen. Sehr großes oder eher großes Potenzial sehen 85 % der Handelsunternehmen für den Einsatz im Bestandsmanagement, 82 % bei der Textgenerierung und 76 % beim Einsatz für personalisierte Empfehlungen.

Dem Einsatz von KI im Kundenservice und der Kundenkommunikation bescheinigen 69 % sehr großes oder eher großes Potenzial, in der Preisoptimierung und in der visuellen Produktsuche jeweils 48 %. Bis diese Zukunftsszenarien tatsächlich Realität werden, scheint es aber noch ein weiter Weg: Zwei Drittel der Handelsunternehmen (68 %) sehen sich bei der Digitalisierung eher als Nachzügler, 3 % sagen gar, sie haben den Anschluss verpasst. 23 % sehen sich eher als Vorreiter, 4 % an der Spitze.

E-Commerce: Eigene Websites und Mails vor Plattformen

Wer online verkauft, tut dies in der Regel u. a. über einen unternehmenseigenen Shop auf der Website: 93 % der Handelsunternehmen mit Onlinehandel nutzen diesen Verkaufskanal. Eine Bestellung per E-Mail bieten 87 % an, auf Onlinemarktplätzen beziehungsweise Verkaufsplattformen verkaufen sieben von zehn Onlinehändlern (69 %) ihre Produkte und Dienstleistungen.

Bei lediglich 23 % lässt sich über Social-Media-Plattformen bestellen und bei 13 % über eine unternehmenseigene App. Onlinehandel bedeutet aber nicht, dass das Verkaufen rein digital erfolgt: Immer noch 63 % der Handelsunternehmen mit Onlinehandel bieten auch eine Bestellung per Fax und 57 % eine Bestellung per Telefon oder Post an.

Was ich denke

Als ich diese Pressemeldung las, war ich doch irritiert. Über die Hälfte (56 %) der befragten Handelsunternehmen bestätigten, dass der Einsatz von KI „entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit im Handel“ sei. Und dann gaben 77 % an, dass KI für sie kein Thema wäre. Reiben Sie sich da auch die Augen? „KI entscheidet in meinem Wettbewerbsumfeld über meine unternehmerische Existenz, daher beschäftige ich mich nicht damit“?

Ich habe keinen Grund, die Richtigkeit der Befragungsergebnisse anzuzweifeln. Was also steckt hinter diesen Aussagen? Allein die fehlende Fachkompetenz im eigenen Haus kann es nicht sein. Was denken Sie?