17.01.23 – Christian Ulrich, Spielwarenmesse eG

„Die Vorfreude ist überall spürbar“

Vom 1. bis zum 5. Februar öffnet nach zweijähriger, coronabedingter Zwangspause die Spielwarenmesse zum 72. Mal ihre Tore. Was ist neu bei dem Branchenevent des Jahres? Was ist geblieben? Redaktionsleiterin Kerstin Barthel hat bei Christian Ulrich persönlich nachgefragt.

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Christian Ulrich, Sprecher des Vorstands der Spielwarenmesse eG, stand der das spielzeug-Redaktionsleiterin Kerstin Barthel Rede und Antwort. © privat

 

Herr Ulrich, wie liefen die Vorbereitungen zur Spielwarenmesse 2023?

Christian Ulrich: Unsere Vorbereitungen sind dank unserer jahrelangen Erfahrungen routiniert abgelaufen. Zudem konnten wir viel Vorfreude spüren, nicht nur bei uns, sondern auch von Seiten der Aussteller. Einmal im Jahr veranstalten wir im Vorfeld stets unsere Dialog-Tournee, bei der wir in rund 20 Ländern unterwegs sind und die Messe vorstellen. Die Tour war sehr gut besucht. Bei den Teilnehmern handelt es sich um eine Mischung aus Herstellern und Händlern sowie Verbands- und Pressevertretern. Inzwischen hat sich das Event zu einer festen Plattform in dem jeweiligen Land entwickelt. Bei allen haben wir eine große Lust auf die Spielwarenmesse 2023 wahrnehmen können. Diesmal haben wir die Termine auf Europa konzentriert. USA, Hongkong oder China beispielsweise haben wir virtuell abgehalten.

 

Welche Erwartungen haben Sie an die Veranstaltung – auch im Hinblick auf den internationalen Aussteller- und Besucheranteil?

Christian Ulrich: Was den Anmeldestand angeht, sind wir nicht nur sehr zufrieden, sondern sogar überrascht, da wir mit einem langsameren Re-Start gerechnet haben. Aktuell liegen wir bei deutlich über 80 % (Anmerkung der Redaktion: Stand Anfang November 2022). Das ist ein sehr gutes Ergebnis. Gerade was Aussteller aus dem asiatischen Bereich angeht, waren wir nicht so optimistisch, da diese ja eventuelle Quarantänebestimmungen bei der Rückreise einkalkulieren müssen. Allerdings konnten wir nun feststellen, dass es hier kaum zu Einbußen gekommen ist. Das liegt daran, dass die Hersteller unbedingt nach Nürnberg kommen möchten und dann nach verschiedenen Alternativen schauen. Entweder arbeiten sie mit Kooperationspartnern wie z. B. Importeuren, die dann den Stand vor Ort betreuen oder sie reisen tatsächlich selbst an und nehmen Einschränkungen in Kauf. Auf der Besucherseite bleibt es hingegen spannend, ob hier genauso gedacht wird.

In den vergangenen beiden Jahren, in denen keine Präsenzveranstaltung stattfinden konnte, ist viel passiert. Welche Auswirkungen hat das auf die kommende Ausgabe? Was werden Besucher und Aussteller wiedererkennen?

Christian Ulrich: Wir konnten die Struktur der Produktgruppen im Wesentlichen erhalten. Hier ist es lediglich zu kleineren Verschiebungen gekommen. Die Besucher finden „ihre“ Produktgruppe also dort, wo sie bisher war. Von der Orientierung her wird die Messe für langjährige Besucher keine Herausforderung werden. Zudem haben wir einige Sonderschauen, die wir jetzt Specials nennen, beibehalten – wie z. B. Tech2Play und Toys Go Green oder die Neuheitenschau, jetzt New Product Gallery. Zudem wird es eine konzentrierte Präsentation von Start-up-Unternehmen geben. Sie sehen, es gibt viel Bewährtes, aber natürlich halten wir auch einige Neuerungen bereit.

Können Sie hier konkreter werden?

Christian Ulrich: Eine wesentliche Neuerung ist, dass wir eine Messe in der Messe stattfinden lassen. Und zwar handelt es sich hier um die Spielerfindermesse, die zumindest im DACH-Raum schon relativ bekannt und etabliert ist. Wir werden diese konzentriert an einem Tag, dem Messefreitag, austragen. Der Gedanke ist nach wie vor, dass man die Spielerfinder und Autoren mit den Verlagen zusammenbringt. Der Vorteil ist nun, dass man vor allen Dingen internationaler gehen kann. Auf Industrieseite sind ja quasi alle Vertreter weltweit da. Am Abend wird es abschließend ein Networking Programm geben.

Ebenfalls eine Premiere ist es, dass wir die Spielwarenmesse – mit Einschränkungen – für Endverbraucher öffnen. Das heißt, nur am Wochenende und ausschließlich für die Produktgruppen Modellbau und Modellbahn.

Last but not least haben wir eine neue Produktgruppe – und zwar geht es hier um Dienstleistungen für Aussteller und Besucher. Das kann in die Richtung Marktforschungsagenturen gehen, die sich auf die Spielwarenbranche spezialisiert haben, das können Verpackungsspezialisten sein – ein ohnehin immer wichtigeres Thema – oder Warenwirtschaftssysteme. Die Nachfrage hierzu ist sehr groß.

Bei der PressPreview am Messevortag erwarten die Besucher ja auch zahlreiche Neuerungen ...

Christian Ulrich: Das ist richtig. Aussteller setzen ihre Produktideen an den eigens aufgebauten Ständen anhand von Walking Acts, Models und Promis wie gehabt medienwirksam in Szene. Journalisten, Blogger, Influencer und Youtuber aus aller Welt erhalten somit als erste einen einzigartigen Überblick über die Produktvielfalt und Trends zur 72. Spielwarenmesse. Neben bekannten Ausstellern und Marken legen wir diesmal ein besonderes Augenmerk auf junge Unternehmen. Die Newcomer und Start-ups präsentieren ihre Innovationen kompakt nebeneinander auf einem eigenen Areal. Neu ist auch die Einbindung des Toy Cocktail-Wettbewerbs, der bisher immer hinter verschlossenen Türen ausgetragen wurde. Gegen Ende der Veranstaltung steht mit der Verleihung des „Toy Awards“ ein weiteres Highlight an.

 

Ihr TrendCommittee hat im Vorfeld der Messe drei Strömungen ausfindig gemacht. Welche hat Ihrer Ansicht nach das größte Potenzial?

Christian Ulrich: Die Strömung „Meta Toys“ ist mit Sicherheit die Zukunftsgerichtete. Hier stehen wir allerdings erst am Anfang der Entwicklung. Der Bereich „Discover!" wiederum ist einer, der schon sehr etabliert ist. Hier geht es um das spielerische Entdecken grundsätzlicher Art – von der Welt bis hin zum Universum. Ich bin mir sicher, dass auch dieses Thema noch an Relevanz zunehmen wird. Der dritte Trend, „Brands for Fans“, hängt stark mit Retro-Spielwaren zusammen, mit alten Lizenzen und Dingen, die man aus der eigenen Kindheit kennt. Hier werden speziell die Kidults, die Erwachsenen, angesprochen. Hier kann ich mir vorstellen, dass sich dieser Trend gerade in der aktuell unsicheren Zeit, weiterentwickeln wird. Denn die guten alten Dinge aus der Kindheit, die dann natürlich neu interpretiert werden, geben ein sicheres Gefühl.

 

Welche Serviceleistungen bieten Sie Ausstellern und Besuchern?

Christian Ulrich: Hier ist zum einen die Produktgruppe Dienstleistungen, die ich bereits erwähnt habe, zu nennen. Ansonsten versuchen wir vor allem im digitalen Bereich Serviceleistungen anzubieten, die einfach die Orientierung und die Effizienz bei Ausstellern und Besuchern optimieren. Eine wichtige Rolle kommt auch unserer App, die den klassischen gedruckten Katalog ersetzt, zuteil. Dort findet man alles, was man benötigt. Im Angebot ist auch 2023 unsere Plattform Spielwarenmesse Digital. Hier kann man bereits vor der Messe interessante Aussteller ausfindig machen und gegebenenfalls Termine vereinbaren. Die Plattform wird ganzjährig angeboten und soll nicht nur auf Messebesucher beschränkt werden. Es wird also keine Eintrittsschranke mit Login vorhanden sein.

 

Die Spielwarenmesse lebt von persönlichen Kontakten und gemeinsamen Erlebnissen. Welche Events sind für 2023 geplant?

Christian Ulrich: Gesetzt ist unsere beliebte Toy Night. Diese wird allerdings nicht wie gehabt in der Arena, sondern in der Halle 3C und damit direkt auf dem Messegelände ausgetragen. Wir haben ein tolles Showprogramm vorbereitet und sind uns sicher, dass es für alle ein gelungener Abend wird. Fix ist auch unsere Eröffnungsfeier. Zudem steht am Messedonnerstag erstmals unsere RedNight auf dem Programm. In allen Hallen finden von 18 bis 22 Uhr zahlreiche Standpartys statt. Für Besucher ist die RedNight die perfekte Gelegenheit, einen erfolgreichen Messetag mit der Branche ausklingen zu lassen und um das Netzwerk zu erweitern.

 

Was hat sich durch die Pandemie im Unternehmen geändert und wie steht es um die finanzielle Situation?

Christian Ulrich: Zwei Jahre ohne Spielwarenmesse haben natürlich Wirkung gezeigt. Das war für uns finanziell keine schöne Zeit. Allerdings hat die Messe eine lange Tradition und hat immer sehr solide gewirtschaftet. So konnten wir die vergangenen Jahre ohne lebensbedrohliche Probleme überstehen. In den letzten Wochen und Monaten konnten wir eine Reihe von Veranstaltungen durchführen. Mit der Kids India und der Insights-X waren wir sehr zufrieden. Die Spiel' in Essen war so gut, dass sie schon fast wieder auf Vor-Corona-Niveau lag. Das hat uns definitiv motiviert.

 

Wie sehen Sie die Zukunft der Spielwarenmesse – auch im Hinblick auf Ihre zahlreichen Kooperationen?

Christian Ulrich: Wir glauben, dass ein gesunder Wettbewerb nicht schadet, und dass Kooperationen künftig wohl noch wichtiger werden. Als Genossenschaft liegt uns das Thema aber ohnehin quasi in den Genen. Zu unseren Wettbewerbern, sei es Hongkong oder New York, haben wir ein freundschaftliches Verhältnis. Auf der Septemberveranstaltung in New York feiern wir mit unserem World of Toys-Pavillon Premiere. Aber auch in anderen Bereichen werden wir verstärkt nach Partnern suchen, mit denen wir uns ergänzen können. Wir sehen uns nicht nur als reine Messe, sondern als internationales Netzwerk und da gehört es dazu, dass wir uns mit anderen Playern zusammentun. Davon profitieren alle und das ist auch der Trend der Zeit. Wir freuen uns auch sehr, dass wir bei der BrandMate mitwirken dürfen, denn mit Eva Stemmer arbeiten wir schon seit Jahren sehr erfolgreich zusammen. Die Premieren-Veranstaltung 2022 hat alle überzeugt und passt vom Format sehr gut in die Branche.

 

Vielen Dank für das Gespräch!