01.09.13

Fokus auf alle Generationen

Wie wollen Kunden angesprochen werden und welche neue Handelsformen und -konzepte bedingt der gesellschaftliche Wandel?

Diese Fragen beantwortet Autor Hans-Georg Pompe im zweiten Teil unserer Handelsserie. Zudem gibt er zur Umsetzung im eigenen Unternehmen praxiserprobte Empfehlungen.

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Der Fachhandel muss ein Einkaufserlebnis für alle Generationen bieten, will er diese nicht an das Internet verlieren.

 
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Großeltern verwöhnen ihre Kinder und Enkelkinder gerne – diese Tatsache sollten Spielzeughändler für sich nutzen. Foto: Galeria Kaufhof

 

In Zeiten von Facebook, Twitter und Co. wünschen sich Kunden, gleich welchen Alters, aufgrund einer zunehmenden Anonymität und unüberschaubaren Produktvielfalt ganz besonders: Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, charmante Aufmerksamkeit, Wertschätzung, Einfühlungsvermögen, Komfort, Geborgenheit, Transparenz, Pünktlichkeit und keine falschen Versprechungen. Die Produkte und Dienstleistungen sollen zu einem passen, der eigenen Persönlichkeit und dem Lebensstil entsprechen, um sich entsprechend mit ihnen zu identifizieren.

Entscheidend ist aber, wie es die Verkäufer schaffen, in den Kopf, ins Herz und in den Bauch des Kunden zu kommen. Daher müssen sie sich wirklich auf Kunden einstellen, sich in ihre Lebenswelt einfühlen und sie durch den «Produkte-Dschungel» begleiten. Auf die vielfältigen Herausforderungen in der Kundenansprache vor, während und nach dem Kaufakt gilt es ganz besonders einzugehen sowie die Verkäufer/Berater am PoS darauf zu sensibilisieren und nachhaltig zu schulen. Deshalb lauten meine Tipps für die Praxis:

-Bauen Sie eine persönliche Beziehung zu Ihren Kunden auf.

-Schätzen Sie Kunden, Mitarbeiter und Geschäftspartner gleichermaßen.

-Emotionalisieren Sie Ihr Geschäft – mit attraktiven Themen- und Erlebniswelten.

-Nehmen Sie sich Zeit für aktives Zuhören.

-Setzen Sie persönliche Referenzen begeisterter Kunden im Beratungsgespräch ein.

-Straffen Sie das Produktangebot und bieten Sie weniger Ware an.

-Stellen Sie den Komfort- und Erlebniswert (nicht den Gebrauchswert) Ihrer Produkte und Dienstleistungen stärker in den Mittelpunkt.

-Erzählen Sie Geschichten zum Nutzen Ihrer Produkte und von Menschen, die davon begeistert sind.

-Lernen Sie Ihre Kunden und ihre Leidenschaften besser kennen.

Aktionen für die ganze Familie

Branchen, die durch den demografischen Wandel ins Hintertreffen geraten, muss es nicht geben. So können z.B. Hersteller von Baby- und Kinderprodukten, aber auch im GPK-Fachhandel neue Käufersegmente ansprechen, wenn sie ihr Produktportfolio erweitern – vom Spielzeug über Technik bis hin zu Mode und Lifestyle. Die Menschen wollen heute in Geschäften jeglicher Art Spaß haben, neue Impulse bekommen, etwas erleben, Gleichgesinnte treffen und ein attraktives Warensortiment genießen. Damit es kein langweiliges, austauschbares 0815-Angebot wird, könnten Händler beispielsweise Fotoaktionen oder -shootings für die ganze Familie arrangieren. Werden gleichzeitig Gutscheine zum Verschenken eingebunden, erhöht sich die Kundenbindung und die Lust aufs Wiederkommen wird verstärkt. Für den lockeren Kontakt zwischendurch oder um eine Überraschung zum Geburtstag zu schicken, ist die E-Mail-Adresse hilfreich. Auch im Online-Handel sind Marke, Lifestyle-Feeling, Servicequalität und Vertrauen die entscheidenden Faktoren für Jung und Alt.

Sortimente für alle Generationen

Generell müssen sich Händler darauf einstellen, dass der Einkauf zum Mehrgenerationenerlebnis wird. Im Babyfachhandel finden Kunden mittlerweile auch Accessoires, Geschenke sowie Retro- und Designobjekte für Erwachsene, dazu teils Bücher und Kosmetik (vorrangig für Schwangere) oder Outdoor- und Sportkleidung bzw. Sportausrüstung. Denn, so habe ich im Gespräch mit einer Verkäuferin erfahren, kaufen immer mehr ältere Menschen in Baby- und Kindergeschäften ein: Männer über 50 werden wieder oder zum ersten Mal Vater, manche Großväter und genießen das «neue fürsorgliche Gefühl». Zur Kommunikation zwischen den Generationen könnten Händler dieser Branche z.B. Vater-Sohn-Kreativspielzeug wie Baukästen ins Sortiment integrieren, Enkel-Großeltern-Spiele anbieten oder Retroprodukte für Mädchen und die Großmutter anbieten. Bücher wie «Die Großmutter und ihr erster Enkel» oder «Wie wird man ein guter Großvater» bereichern das Produktangebot im Sinne der Generationen-Attraktivität zusätzlich. Apropos Bücher: Im Buchhandel ist der umgekehrte Weg zu beobachten – dort finden sich immer häufiger «Nonbooks», z.B. Spielsachen (Soft Toys) oder Lernspielzeug, Freizeit- und Wohnaccessoires, Kunsthandwerk, aber auch Schmuck-, Schönheits- und Genussprodukte. Wichtig ist: Es muss trendy, anders und neu sein, individuell und witzig, einfach Lust machen.

Perspektive «Cross-Channel»

Die künftige Herausforderung für den Handel wird es sein, die «Großeltern-Generation» stärker mit ins Boot zu nehmen und sie gezielter anzusprechen. Denn im Vergleich zu einer jungen Familie hat sie viel mehr Geld zur freien Verfügung, Lust Geschenke zu machen und die Kinder und Enkel zu verwöhnen. Die Großeltern selbst finden durch ihre Enkelkinder einen weiteren Sinn in ihrem Leben, so dass beide Seiten davon profitieren. Die besten Chancen einer erfolgreichen Geschäftsentwicklung und Expansion im gesellschaftlichen Wandel bieten sich aus meiner Perspektive im «Cross-Channel»: Im Online-Handel in Kombination mit einem stationären Handelsgeschäft, um den direkten Dialog mit ihren älter werdenden Zielgruppen aufzubauen und pflegen zu können. Denn jüngere und ältere Kunden informieren sich – stärker denn je– im Internet, suchen aber auch stärker denn je wieder den Einzelhändler mit seinem persönlichen Rat.

So müssen sich Unternehmen auf eine Bevölkerung ausrichten, die das «alt werden» gerade völlig neu erfindet, auf veränderte Kundenwünsche und Lebensstile, auf eine neue Marktmacht «50plus», die mit dem Geld ausgeben noch gar nicht richtig angefangen hat. Nur wer heute seine Strategie und die gelebten Konzepte in Shopdesign, Anmutung, Erreichbarkeit, Sortiment und Komfort vernünftig auf die wahren Kundenbedürfnisse und unterschiedlichen Zielgruppen ausrichtet, hat auch morgen noch Zukunftschancen.