01.01.14 – Handelstechnologien

Kundenservice 4.0

Die neue Welt der Handelstechnologien hat etwas von einem Schlaraffenland: Das Regal füllt sich von selbst auf.

Produkte locken Kunden, die am Geschäft vorbeigehen, herein. Und last but not least wird man dank 3D-Drucker Artikel bald nach Wunsch herstellen und individualisieren können. Welche Vorteile sich für unsere Branche ergeben, erfahren Sie im zweiten Teil der Handelsserie.

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Service am Kunden: Mit dem «Artikelfinder» erhält der Konsument via Multi-Touch-Bildschirm spezielle Infos über ein Produkt, wie z.B. dessen Verfügbarkeit.

 
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Fehlplatzierungen, leere oder unaufgeräumte Regale sollen dank dem Assistenzsystem «Fibre Shelf» der Vergangenheit angehören.

 

Leere Regale und enttäuschte Kunden wird es dank der Technologie des «Fibre Shelf» in Zukunft nicht mehr geben. Die automatisierte Regalüberwachung wird gegenwärtig im Lebensmittel-Einzelhandel und in SB-Warenhäusern erprobt, ist aber auch für Fachgeschäfte eine gute Idee. Dabei senden im Regalboden integrierte Glasfasern mit Hilfe einer Kamera auf der Unterseite permanent Signale. Das «Fibre Shelf» erkennt Form, Farbe und Position eines Artikels im Regal, und damit auch, wenn dieser entnommen wird. Sind nur noch wenige Produkte einer Sorte vorhanden, wird automatisch eine Meldung versendet und die Neubestellung in Auftrag gegeben – rechtzeitig bevor die Ware vergriffen ist. Laut Dr. Ralf Jung, dem Leiter des Innovative Retail Laboratory (IRL), fördere das «intelligente Regal» eine hohe Kundenzufriedenheit und damit die Attraktivität des Geschäftes gegenüber der Konkurrenz erheblich.

Orientierung leicht gemacht

Vom «Fibre Shelf» ist es nur ein kleiner Schritt zum «Artikelfinder», der, anders als die aus Warenhäusern bereits bekannten Systeme, nicht nur allgemeine Sortimentshinweise gibt. Ein Multi-Touch-Bildschirm liefert Informationen darüber, ob eine Spielware, ein Markenkleidungsstück oder ein Geschenkartikel tatsächlich im Haus vorrätig ist und an welchem Ort der Artikel gegenwärtig zu finden ist. Die Frage «Entschuldigen Sie bitte, wo finde ich …?» kann vom Kunden – wenn er das möchte – selbst und effizient beantwortet werden. Die Nummer des Regals oder eine Grundrisskarte des Geschäfts mit der genauen Produktposition helfen bei der Orientierung. In Fachgeschäften könne man sich mithilfe der Innenraum-Positionierung langwieriges Suchen ersparen. «Wenn ich die Produktposition weiß, kann ich das als Kundenservice über eine mobile Applikation anbieten und diese eventuell noch mit einer Einkaufsliste, Rabattaktionen oder auch digitalen Coupons verknüpfen und somit die Kundenbindung durch einen echten Mehrwert stärken», betont Dr. Ralf Jung. Wenn der Kunde ein Benutzerprofil hinterlegt hat, könne man ihn sogar auf seine individuellen Vorlieben oder auf Neuheiten im Sortiment hinweisen. Der Clou der Produktposition – es geht auch draußen. Läuft z.B. eine Person an einer Passage vorbei, in der sich mehrere Läden befinden, wird sie über ihr vorher hinterlegtes Benutzerprofil bzw. eine Produktanfrage «erkannt» und über ihr Handy darüber informiert: «500 m rechts von dir ist ein Geschäft, das den gewünschten Artikel führt». Laut Dr. Ralf Jung sei diese «gezielte Kundenansprache bzw. Efficient Consumer Response» die Zukunft.

Nicht nur intelligente Kühlschränke, auch kluge Kleiderschränke sind in der Zukunft denkbar. Hat Frau (wieder mal) nichts anzuziehen oder sind die Kinder abrupt aus den Schuhen herausgewachsen, kann mittels eines eingebauten Touchscreen über das Internet auf Werbeprospekte zurückgegriffen werden. Im Geschäft heißt das Pendant dann «Intelligente Kleiderkabine», die in abgewandelter Form vom IRL in Kooperation mit Adidas getestet wurde. Nach automatischer Vermessung der Körpermaße werden Vorschläge aus dem Katalog unterbreitet, virtuell auf den Leib geschneidert und nach Wunsch auf dem Bildschirm visualisiert. Letztlich ist dieses Szenario auch von zu Hause aus über eine Online-Verbindung denkbar.

Dreidimensional drucken

Das große Technologie-Thema, das auch den Handel nach Meinung vieler Experten weitreichend verändern wird, ist der 3D-Drucker. Nach 3D-Gucken geht nun also auch 3D-Drucken. Was für viele heute noch kaum vorstellbar ist: «Gedruckt» werden inzwischen auch Gegenstände, und zwar mit großer Genauigkeit. Ein Laser-Scanner erfasst Artikel oder auch Körperregionen und leitet die digitale Information an einen Drucker weiter. Dies erlaubt nicht nur eine ergonomische Optimierung und Individualisierung der Bekleidung. Damit können Artikel z.B. auch «online» zum Händler bzw. Verbraucher kommen, die diese selbst ausdrucken. Der Konsument wird somit in Zukunft auch gleichzeitig Produzent. Die Digitalisierung der Produktion wird Auswirkungen auf alle Bereiche der Wirtschaft haben – vom Vertrieb bis hin zur Logistik. Eine Ersatzteillagerung wird überflüssig. Auslaufmodelle können nach Bedarf quasi «just in time» nachproduziert werden. Aber auch die Themen Produkt- und Markenschutz müssen dann ganz neu überdacht werden. Während sich das Druckmaterial bis vor kurzem noch auf spezielle Kunststoffe beschränkte, sind heutzutage auch schon Materialien wie Keramik, Holz und Verbundstoffe verfügbar. Somit können Spielwaren oder fehlende Bestandteile z.B. direkt im Fachgeschäft nachgedruckt oder nach individuellen Vorlagen und Wünschen gefertigt werden. Denkbar ist so eine Individualisierung auch für Geschirr, Design-Gegenstände oder Geschenke, die Kunden in einem Druckshop in ihrer Nähe in Auftrag geben können. Auch im Heimbereich werden dadurch ganz neue Möglichkeiten der Produktherstellung und -individualisierung Einzug halten. So kann man mittlerweile schon Pläne für Lampenschirme, Spielfiguren oder Handycovers für den privaten Drucker im Internet herunterladen.

Unsere neue Handelsserie befasst sich mit der Schaufenstergestaltung, die als Markeninstrument immer mehr an Bedeutung gewinnt.