24.05.22 – Tobias Schlotter, Akeneo

„Verbraucher suchen ein wertebasiertes Einkaufserlebnis“

Die Art und Weise, wie Verbraucher mit Produkten und Marken umgehen, hat sich durch die Pandemie radikal verändert. Tobias Schlotter, General Manager Central & Eastern Europe bei Akeneo, erläutert in unserem Gastbeitrag fünf Kernaspekte.

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Die vielfältigen Nachhaltigkeitsaspekte spielen 2022 eine wichtige Rolle, um als Marke herauszustechen. © j-mel/stock.adobe.com

 
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Unser Gastautor Tobias Schlotter, General Manager Central & Eastern Europe bei Akeneo. © Akeneo

 

Heute kaufen Kunden nicht mehr nur Produkte ein. Sie sind auf der Suche nach einer tieferen Einkaufserfahrung, die mit dem durch die Pandemie modifizierten Wertekompass übereinstimmt. Aus Verbrauchersicht repräsentiert das Einkaufen somit auch eine Form von Zugehörigkeit, die Menschen Stabilität und einen festen Platz in der Welt verleiht. Dieses Psychogramm stellt auch an den Einzelhandel hohe Anforderungen.

Wie lassen sich Produkte so präsentieren, dass sie Kundenerwartungen erfüllen? Marken, die sich dieser Herausforderung stellen, um die Beziehungen zu ihren Kunden zu vertiefen und letzten Endes auch neu zu definieren, werden 2022 dauerhaft hohe Vertrauens- und Loyalitätswerte verbuchen.

Dabei gilt es, fünf Kernaspekte zu beachten:

1. Nachhaltigkeit ist zum Mainstream geworden

Während Nachhaltigkeit lange Zeit so etwas wie ein weitgehend ignoriertes Nischeninteresse darstellte, geben heue knapp sieben von zehn Verbrauchern an, dass Nachhaltigkeitskriterien und -praktiken sehr wohl Kaufentscheidungen positiv bzw. negativ beeinflussen. Dies gilt für alle Altersgruppen. Jüngere Studien liefern diesbezüglich noch eindeutigere Ergebnisse. Für Marken bedeutet dies: Es reicht nicht mehr aus, sich verbal oder schriftlich in Visionen, Missionen oder Agenden zur Nachhaltigkeit zu bekennen. Umweltfreundliche Maßnahmen in allen Bereichen – von der Lieferkette über die Vertriebsnetze bis hin zu den Produkten – fest zu verankern ist zwar gut, vielmehr kommt es aber darauf an, Wege zu finden, Kunden und Interessenten gegenüber die Produktvorteile authentisch und glaubhaft zu vermitteln. Vor diesem Hintergrund ist Transparenz heute ein Muss.

2. Vintage ist en vogue

Ein Indikator für den Nachhaltigkeitsboom: Second Hand ist auf dem Vormarsch. Alleine der größte Second-Hand-Händler Deutschlands, Momox, erwirtschaftete im Jahr 2020 einen Umsatz von rund 312 Mio. Euro. Während die Hauptmotivation für den Secondhand-Einkauf insbesondere preisgünstige Waren sind, suchen Verbraucher auch bewusst nach umweltfreundlichen Erzeugnissen, sinnvollen Geschenken oder nach einem persönlichen Einkaufserlebnis, das nicht mit dem Shopping in großen Geschäften verbunden ist. Unternehmen wie H&M, Zalando oder Patagonia haben gezeigt: Es ist möglich, gebrauchte Produkte erfolgreich neben neuen zu verkaufen. Diesen Trend können sich auch andere Marken zunutze machen, sofern sie Rückkaufprogramme oder einfache Recycling- oder Wiederverkaufsoptionen für gebrauchte Produkte anbieten.

3. Echte Erlebnisse und keine Gimmicks

Während materielle Geschenke nach wie vor beliebt sind, gab etwa jeder sechste Käufer an, auch „Erlebnisse“ zu verschenken. Das können beispielsweise Wellness-Gutscheine, Theaterkarten oder Heimwerkerprojekte wie Buchbindesets oder Bausätzen zur DIY-Herstellung von Messern sein. Dies Geschenke versprechen, unvergesslicher, eindrücklicher und „echter“ zu sein als herkömmliche Geschenke. Denn sie besitzen das Potenzial, Erfahrungen zu teilen und Menschen zusammenzubringen. Beim Kauf von Erlebnissen steht aber mehr auf dem Spiel: Ein Erlebnis, das nicht funktioniert, kann nicht zurückgegeben oder umgetauscht werden. Das bedeutet: Kunden wollen genau wissen, was sie einkaufen, bevor sie einen Erlebniskauf abschließen. Sie werden demzufolge solche Produkte belohnen, die etwa auf Rich Media oder realistischere Einkaufserlebnisse zurückgreifen können, um Kunden bei der Erlebnis-Einschätzung zu unterstützen.

4. Nachhaltige, umweltfreundliche Verpackung

Eine Folge des E-Commerce-Booms: ein wachsender Verpackungsmüllberg und steigende Emissionen durch eine zunehmende Transport-Logistik. Für die Umwelt ist das eine sehr bedenkliche Entwicklung. Durchdachte und nachhaltige Versand- und Verpackungskonzepte wirken diesem negativen Trend aber nicht nur entgegen, sie schaffen für Marken, Hersteller und Händler vielmehr auch attraktive Differenzierungsmöglichkeiten. Unternehmen wie Amazon bieten ihren Kunden etwa die Möglichkeit, Lieferungen in einer Sendung zusammenzufassen. Das reduziert anfallenden Verpackungsmüll und Transportemissionen. Und es existieren auch nachhaltige Alternativen zu herkömmlichen Geschenkverpackungen – etwa eine wiederverwendbare Tragetasche oder biologisch abbaubares Seidenpapier, anstelle von mit Folie ausgekleidetem Geschenkpapier.

5. Information mit Substanz anstatt Greenwashing

Nachhaltigkeitsbemühungen zählen nicht viel, wenn Unternehmen diese nicht wirksam kommunizieren. Gleichzeitig hat die Pandemie Verbraucher angesichts vieler widersprüchlicher Informationen misstrauischer gemacht. Für Marken, die selbst mit Umweltbewusstsein werben, reicht es insofern nicht mehr aus, dies einfach zu behaupten. Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit muss sich vielmehr in Form konkreter Daten und eindeutiger Beweise manifestieren, um in dieser Hinsicht Verbrauchern gegenüber auch glaubhaft kommunizieren zu können.

Verbraucher nehmen ihrerseits Nachhaltigkeitsbotschaften von Marken viel genauer unter die Lupe. Deshalb sollten Marken in der Lage sein, sich nur dann als umweltfreundlich darzustellen, wenn sie auch Belege vorweisen können, die zeigen, dass sie tatsächlich etwas bewirken. Das Aufkommen von Start-ups, die klimafreundliche Software und CO2-Bilanz-Tools anbieten, spricht für diesen Trend. Erfolgreiche Marken nutzen zunehmend harte Daten – wie den CO2-Fußabdruck oder die Lebensmittelmeilen –, um die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen zu dokumentieren und zu validieren. Und sie finden überzeugende, glaubwürdige Wege, um ihren Kunden dies zu vermitteln.

Auf Produkterfahrung setzen

Im Hinblick auf das kommende Jahr stellen diese Trends sowohl Herausforderungen als auch Chancen dar. Marken müssen ihre Erzeugnisse dazu nutzen, um individuell erfahrbare Produktwelten zu schaffen, in denen Kunden das Produkt im wahrsten Sinne des Wortes erleben können. Laut einer kürzlich durchgeführten Akeneo-Umfrage legt die Hälfte der Verbraucher großen Wert auf Produktinformationen, wie etwa Details zu Nachhaltigkeitsaspekten. Die Chance für Marken: die intelligente und konsistente Nutzung von Produktinformationen. Damit stechen Unternehmen selbst in überfüllten Märkten hervor, weil Kunden sich wertbasierte Produkterfahrungen tatsächlich wünschen. Sie bilden im Jahr 2022 die Basis für aussagekräftigere, nachhaltigere und wirkungsvollere Einkaufserlebnisse.