29.01.24 – Interview mit Tomma Rabach

„Die Markenkommunikation der Spielwarenindustrie muss sich verändern.“

Inflation, Unsicherheiten bei Verbrauchern, Insolvenzanmeldungen namhafter Hersteller und rückläufige Umsätze bei den Top-Playern im Markt: Das vergangene Jahr war wohl eines der herausforderndsten. Zeit nach vorne zu schauen, denn die Prognosen für die Spielwarenbranche zeigen eine leichte Wachstumskurve bis 2028. Welchen Stellenwert strategisch ausgerichtete Kommunikationsarbeit für Spielwarenmarken einnimmt und welche Besonderheiten es für die Zielgruppe der Eltern und Kinder zu beachten gilt, haben wir im Gespräch mit Kommunikationsberaterin Tomma Rabach erfahren.

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Tomma Rabach, geschäftsführende Gesellschafterin der rabach kommunikation GmbH und Co. KG, ist seit 20 Jahren für (inter)nationale Marken v. a. aus der Spielwaren-, Kinder- und Familienbranche in Sachen Marken- und Produkt-PR, Influencer Relations, Social Media sowie Unternehmens- und Krisenkommunikation tätig. © Rainer Jensen

 

das spielzeug: Dass Spielwarenhersteller vor großen Herausforderungen stehen, ist kein Geheimnis. Wie sehen Sie die Branche aus Kommunikationssicht?

Tomma Rabach: Für eine Branche, die immer stärker unter Druck steht, kommt aus Kommunikationssicht noch eine weitere Herausforderung hinzu: das sinkende Vertrauen von Konsument:innen in Marken. Insbesondere, wenn wir die eh schon hohe Sensibilität der Zielgruppen Eltern und Kinder berücksichtigen. Für die „neue Generation Eltern“ wird „Purpose-driven Marketing“ allein nicht ausreichen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Knapp Dreiviertel der Verbraucher:innen glaubt nicht daran, dass Marken ihre Versprechen einhalten. Daher ist es aus meiner Sicht entscheidend, eine emotional-informative und dialogorientierte Kommunikation zu etablieren und noch stärker in eigene Communities zu investieren. Doch dafür muss ich die Bedürfnisse meiner Zielgruppen gut kennen. Aus meiner Sicht ist es daher zielführender, Zielgruppen als individuelle Bedürfnisgruppen zu verstehen.

das spielzeug: Worauf wird es in diesem Jahr in der Kommunikationsarbeit ankommen?

Tomma Rabach: Nicht erst seit diesem Jahr ist es wichtig, bei den Kommunikationskanälen, aber auch den Botschaften und Maßnahmen darauf zu achten, dass es die Elternschaft und die Kinder nicht mehr gibt. Familien, und damit einhergehend ihre Interessen und Bedürfnisse, sind deutlich heterogener geworden. Die Anzahl an Regenbogenfamilien und Alleinerziehenden steigt stetig. Letztere sind mit fast 20 % keine Ausnahmefamilie mehr. Auch die Rolle der Väter verändert sich und wurde im vergangenen Jahr wahrscheinlich so stark thematisiert wie nie zuvor, obwohl oder gerade weil die traditionelle Rollenverteilung noch immer am stärksten vertreten ist. Auch das Medienverhalten hat sich verändert. Doch nicht nur bei den Erwachsenen hat sich einiges getan. Die Entscheidungshoheit der Kids nimmt seit vielen Jahren zu und die Kaufkraft von Kindern (direkt und indirekt durch die Beeinflussung elterlicher Entscheidungen) wird noch immer häufig unterschätzt. Dabei steigt ihr Einfluss durch eigenen Content, den sie hochladen und ihre damit verbundene größere Sichtbarkeit. Das macht sie zu aktiven Kommunikatoren, die den Markt mitbestimmen und formen. Das zeigt sich auch darin, dass Empfehlungen von Freunden und Kidfluencer inzwischen einen deutlich stärkeren Impact auf Kaufentscheidungen haben. Gleichzeitig werden sich Unternehmen fragen müssen, inwiefern die Einbindung von Kindern in die Markenkommunikation moralisch vertretbar, oder die Zusammenarbeit mit Kidfluencer legitim ist, und in welchem Maß Kinder von Eltern-Creatoren weiterhin eingebunden werden sollten.

das spielzeug: Welche Rolle spielt KI in der Kommunikationsarbeit?

Tomma Rabach: Künstliche Intelligenz hat in der Kommunikationsarbeit längst Einzug gehalten. Für Entscheidungsprozesse, z. B. durch die Auswertung von Daten, bei der Eruierung von Trends, der Medienbeobachtung oder Recherche von Themen, oder als Inspirationsquelle für Texterstellungen, ist KI sehr hilfreich und schafft im besten Fall Kapazitäten an anderer Stelle. Auch für den Erstkontakt bei unkritischen Verbraucher-Anfragen können digitale Assistenten wie Chatbots Arbeit abnehmen und Ressourcen für persönliche Kommunikation freimachen. Insbesondere für die Kommunikation mit Eltern und Kindern sehe ich die Einbindung von KI jedoch auch kritisch. Es fehlt die notwendige kritische Auseinandersetzung, Informationen können verzehrt werden und so die Risiko- und Chancenbewertung nachteilig beeinflussen. Auch sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt noch einige rechtliche Fragen hinsichtlich des Datenschutzes oder Urheberfragen unbeantwortet. Zudem – und das ist deutlich wichtiger – widerspricht KI der Erwartungshaltung an eine individuelle, bedürfnisorientierte und emotionale Markenkommunikation. Nicht ohne Grund erleben kleine Labels einen Boom. Sie sind nahbar, persönlich, zeigen häufig das Gesicht/die Gesichter hinter der Marke und bieten so eine deutlich höhere Identifikationsmöglichkeit als es die international agierenden Top Player der Branche tun. Gerade bei den sog. First Time Moms und Dads spielen Glaubwürdigkeit, Erfahrungen und die Kommunikation auf Augenhöhe eine entscheidende Rolle. Dafür sind Eltern auch bereit, mehr zu investieren. Weil die entsprechende Marke vertrauensvoll scheint, den Mehrwert klar kommuniziert und Werte vertritt, die für die Bedürfnisgruppen wichtig sind.

Auch im Gespräch mit Journalisten ist die persönliche Kommunikation das A & O und seit dem Umbruch der Medienlandschaft noch einmal entscheidender. KI kann daher aus meiner Perspektive an der ein oder anderen Stelle die Kommunikationsarbeit ergänzen, keinesfalls aber die menschliche Expertise ersetzen.

das spielzeug: Wie können Marken in preissensitiven Zeiten punkten?

Tomma Rabach: Die Erwartungen an Marken sind divergent. Was neben dem Aufbau und dem Dialog mit eigenen Communities wichtig ist, ist Haltung zu zeigen, für Werte einzustehen und diese konsequent zu verfolgen und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, um Eltern und Kinder auch weiterhin langfristig für sich zu gewinnen. Das bedeutet im Zweifel auch politisch Stellung zu beziehen. Gerade die Sensibilität dieser Bedürfnisgruppen und der Anspruch der nächsten Elterngeneration wird Unternehmen zum Umdenken zwingen: von der Produktion, über die Distribution bis zur Kommunikationsarbeit. Eine nachhaltige Unternehmensphilosophie, der Qualitätsanspruch und das Bewusstsein für „weniger ist mehr“ wird sich durch viele Bereiche ziehen und eine gewisse Selbstverständlichkeit erlangen.

Auf der anderen Seite wird es den starken Preiskampf auch weiterhin geben und damit die Kluft zwischen „Originalen“ und „Me-Too-Produkten“ vergrößern. Und das ist der Punkt, in dem aus Konsumentensicht ein klarer Mehrwert erkennbar sein muss, der über ein reines Produkt und Qualitätsversprechen hinausgeht. Insbesondere in Zeiten, in denen die Preissensibilität dem Anspruch eines nachhaltigen Lebensstils gegenübersteht. In der Kommunikationsarbeit gilt es daher, auf einen Mix aus neuen Entwicklungen und „Back to the Roots“ zu setzen. Denn bei all der Digitalität wird der analoge Austausch entscheidend sein. Und wir freuen uns, Marken und Unternehmen auch in der Zukunft dabei zu unterstützen und durch sicherlich herausfordernde Jahre zu führen.